3D-Digitalisierung wofür? Dafür! museum4punkt0 zu Chancen und Herausforderungen
Bei der 4. museum4punkt0 | impulse-Veranstaltung haben die Beteiligten erneut viele Fragen diskutiert, Ideen weitergedacht, Impulse gegeben, Wissen geteilt.
Die hochkomplexen Verfahren der 3D-Digitalisierung eröffnen der Vermittlung von Inhalten großartige Möglichkeiten – soweit Technik und Vermittlungsformate frühzeitig aufeinander abgestimmt sind. Dr. Silke Krohn weist gleich zu Beginn ihrer Moderation durch die Veranstaltung daraufhin, wie wichtig es ist, Objekte für die 3D-Digitalisierung auszuwählen, die als solche in der Vermittlung einen Erkenntnisgewinn erzielen können. Die Vielzahl der möglichen, noch dazu miteinander kombinierbaren Digitalisierungsverfahren und der oftmals immense Aufwand der Erstellung rechtfertigt sich dann, wenn die digitalen 3D-Objekte sinnvoll in das Vermittlungskonzept eines Hauses eingebunden sind. Dazu bedarf es einer engen Abstimmung zwischen Kurator*innen, Restaurator*innen und Techniker*innen.
Mehrwert für die Kulturvermittlung
„Die Vorstellung von der 3D-Digitalisierung auf Knopfdruck bleibt ein Wunschtraum.“ – Georg Hohmann
In seinem Impulsvortrag blickt Georg Hohmann vom museum4punkt0-Teilprojekt „Perspektiven dreidimensionaler Visualisierungen in der musealen Vermittlung“ am Deutschen Museum positiv auf die Chancen der 3D-Digitalisierung. Was kann 3D-Digitalisierung – und was nicht? Anhand unterschiedlicher Geräte stellt
Georg Hohmann die Bandbreite der Scan-Methoden vor. Welches Verfahren sich jeweils am besten eignet, hängt von der Beschaffenheit der Objekte und von den Erwartungen an das 3D-Digitalisat ab. Diese Grundannahme wird immer wieder im Verlauf der Veranstaltung betont: „Es kommt darauf an.“
Letztlich ist die 3D-Digitalisierung die logische Weiterführung der Fotografie: aus hunderten von Fotos wird ein Objekt zusammengebaut. Die Möglichkeiten eines 3D-Digitalisats reichen dabei weit über die Fotografie hinaus. Die Geometrie des Objekts ist verfügbar ebenso wie Informationen zur Textur wie die Farbgebung im Detail, das Objekt ist exakt messbar in seinen Maßverhältnissen – zusammengefasst: Es gibt mehr Daten. Wie diese Daten langfristig nutzbar gespeichert werden können ist eine weitere Frage, die in die Zukunft reicht: Noch gibt es kein übertragbares Langzeitkonzept.
Erster Schritt für die Vermittlung von Inhalten mittels 3D-Objekten ist die Online-Bereitstellung. Dafür bietet sich beispielsweise die Plattform Sketchfab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bereitstellung aufgrund der begrenzten Speicherkapazität immer mit Datenverlust einhergeht.
Unter dem Schlagwort „Digital Twins“ fasst Georg Hohmann die Tendenz zusammen, mit dem 3D-Digitalisat das Original so abzubilden, wie es optisch wahrnehmbar ist. Dabei eröffnet die 3D-Digitalisierung die Wahrnehmung von ansonsten nicht einsehbaren Bereichen eines Objekts, etwa der Innenseite oder einer verborgenen Mechanik. Der digitale Zwilling bietet sich für die selbstexplorative Erkundung eines Objekts oder für Simulationen beispielsweise in virtuellen historischen Umgebungen. Rekonstruktionen sind auf der Grundlage von 3D-Objekten möglich oder die Abbildung von Ausstellungssituationen, die im analogen Raum nicht mehr existieren.
Die Frage nach Qualitätsrichtlinien oder Standards bei der Photogrammetrie und 3D Scans muss insofern unbeantwortet bleiben, da die Verfahren und Erwartungen an die Nutzungsmöglichkeiten von 3D-Objekten sehr unterschiedlich sind und technische Möglichkeiten stetig weiterentwickelt werden.
Orgelspiel im virtuellen Raum
Den Überblick über die Möglichkeiten der 3D-Digitalisierung und ihren Mehrwert für die Kulturvermittlung ergänzt Claus Henkensiefken aus demselben Teilprojekt um mehrere Beispiele aus der Praxis.
Der 3D-Scan des „Predigenden Mönchs“ (um 1560), einer bewegten Figur ermöglicht nicht nur die Wahrnehmung des Objekts in Bewegung, sondern auch das Ausblenden des äußeren Holzmantels, das die innere Mechanik sichtbar macht. 3D-gescannt und animiert führt der Holzschleifapparat von G. F. Keller aus dem 19. Jahrhundert – im besten Vorführeffekt – in der Veranstaltung zu dem Erkenntnisgewinn, dass sich dessen Mechanik kaum von einer Kaffeemühle unterscheidet. An diesem Beispiel wurde zudem der Grad von Nachbearbeitung und Originaltreue thematisiert: Geht es um ein möglichst perfektes Modell oder sollte der Scan möglichst wenig modelliert werden?
Den Zauber historischer Theateraufführungen zum Leben erwecken
Dr. Mario Kliewer vom museum4punkt0-Teilprojekt „Die Dinge (wieder) in Bewegung bringen: Die Reanimation einer Theatrum mundi-Aufführung“ der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden berichtet davon, wie mithilfe von 3D-Digitalisaten von Figuren und Kulissen das mechanische Welttheater zum Leben erweckt wird.
Die Theaterform aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert präsentierte mechanische Figuren vor Kulissen. Wie den Theaterzetteln, die oftmals einzigen Hinweisen auf die Aufführungspraxis, zu entnehmen ist, verhandelten die Theater historische Ereignisse und zeitgenössische Anlässe. Um diese historischen Aufführungen zu erforschen und zu vermitteln bedarf es der Digitalisierung, da die Ausstellung aufwendig und aus konservatorischen Gründen kaum möglich ist. Zudem ermöglicht es das 3D-Digitalisat, Abläufe zu rekonstruieren. Ca. 35 Figuren und ungefähr 15 Kulissenteile einer Aufführung aus dem Theatrum mundi von Curt Kressig werden in dem Projekt fotografiert, modelliert, animiert und implementiert.
Dabei geht es um einen möglichst originalgetreuen Nachbau der Figuren mit den Wagen, auf denen sie bewegt werden, um die Mechanismen nachvollziehen zu können. Die Kulissen sind von allen Seiten einsehbar. Für die Rekonstruktion der Aufführung werden die 3D-Objekte in ein digitales Dramaturgietool implementiert, das es ermöglicht, den Hintergrund hinter den Kulissen einzustellen, die Stellung der Kulissen zu bestimmen, das Licht zu regulieren ebenso wie die Geschwindigkeit der Figurenbewegungen und die Begleitmusik.
Ziel ist ein Forschungstool, mit dem die Theatrum mundi-Aufführung rekonstruiert und simuliert werden kann. Das Tool eignet sich zur Kuratierung. Zudem wird es ein Tool geben, das von sich aus stärker Partizipation ermöglicht: Nutzer*innen können eine eigene Aufführung erstellen und mit nach Hause nehmen. Die Einstellungen sind hier in einer einfacheren Version anwendbar. Für die Nutzung des Tools sind unterschiedliche Kontexte denkbar, etwa Onlinepräsentationen oder die Präsentation in Ausstellungen.
Fazit: Auf das Zusammenspiel kommt es an!
In der Abschlussdiskussion zeigt sich, dass die 3D-Digitalisierung große Chancen für die Vermittlung in sämtlichen Fachdisziplinen bietet: vom Technik-Museum, über medizinhistorische Inhalte und Musikinstrumente bis hin zur Puppentheatersammlung. Von den Inhalten her gedacht stellt sich die Frage nach dem geeigneten Verfahren. Oftmals erfordern Objekte es, photogrammetrische Methoden und Scan-Verfahren zu kombinieren. Die Vielfalt der Möglichkeiten, die von den technischen Neuerungen immer weiter ergänzt werden, findet ihre Begrenzung in den kuratorischen Erwartungen, der Eignung für die Vermittlung und den Ressourcen. Vieles lässt sich daher nicht eindeutig beantworten. Umso ergiebiger und wichtiger ist der Austausch über Praxiserfahrungen – wie auch diese museum4punkt0 | impulse-Veranstaltung erneut bewiesen hat.
Die Umfrage, die wir am Ende der Veranstaltungen mit allen Teilnehmenden durchführten, spiegelt den Tenor der Beiträge und Diskussionen wider: Für 78% der Teilnehmer*innen gab es ausreichenden Raum für Gespräche und Diskussionen, 22 % des Publikums empfand das Angebot als teilweise ausreichend. Insgesamt konnten 85 % der teilnehmenden Personen feststellen, durch die Veranstaltung Anregungen und Impulse erhalten zu haben, die übrigen 15 % der Teilnehmer*innen beantworteten die Frage mit neutral.
Von allen Teilnehmenden arbeiteten insgesamt 79% in Institutionen, die bereits mit 3D-Digitalisierung arbeiten, 16 % arbeiteten in Institutionen, in denen bisher keine 3D-Digitalisierung genutzt wird und 5 % konnten diese Frage nicht beantworten. Vor allem die Photogrammetry, Laserscans, LiDAR Scans, Drohnenflüge und Handscanner werden als 3D-Digitalisierungsmethoden in den jeweiligen Institutionen der Teilnehmer*innen eingesetzt. In den Institutionen, die bereits 3D-Digitalisierung einsetzen, wird diese in 71% der Fälle mit dem Aufgabengebiet der Vermittlung zusammengedacht, 17% der Teilnehmenden konnten belegen, dass diese Bereiche nicht miteinander verbunden werden und wiederum 12 % beantworteten diese Frage neutral. Zudem konnte die Umfrage ein Stimmungsbild darüber abgeben, ob Aufgaben dieser Art innerhalb der Institutionen oder durch externe Expert*innen durchgeführt wird. Selten wird die 3D-Digitalisierung ausschließlich durch die Institution selbst durchgeführt; viele gaben an, externe Expert*innen zu nutzen bzw. gemeinsam mit Mitarbeiter*innen aus der Institution sowie externen Dienstleister*innen zusammenzuarbeiten. Außerdem ergab sich zu unserer Freude, dass sich insgesamt 98% der Teilnehmer*innen sehr wohlfühlten, die übrigen 2% standen der Frage neutral gegenüber. Auch für uns war die Veranstaltung sehr gewinnbringend und wir planen schon das nächste Thema.
Beitrag von: Dr. Maite Kaillweit, Dr. Silke Krohn und Mira Hoffmann
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Empfehlungen der Europeana 3D-Scanmethoden:
Software, die das Deutsche Museum hauptsächlich verwendet:
https://www.artec3d.com/3d-software/artec-studio
https://www.capturingreality.com/
Blog-Beitrag: „Vermittlung im 3D-animierten Raum: Wie Theatrum mundi und Sternenuhr wieder in Bewegung kommen“ (30. Juni 2021)
Blog-Beitrag: „Augmented Reality – Chance und Herausforderung für Museen“ (28. Juni 2021)
Teilprojekt „Perspektiven dreidimensionaler Visualisierungen in der musealen Vermittlung“ (Deutsches Museum)
Teilprojekt „Die Dinge (wieder) in Bewegung bringen“ (Staatliche Kunstsammlungen Dresden)