Adaptierbare Anwendungen aus München und Nürnberg: Extended Reality und Telepräsenz
Das Tandem-Projekt „Museum INSIDE/OUT“ berichtet über eine nachnutzbare XR-Station und die Zusammenarbeit zweier großer Museen.
Seit Frühjahr 2022 arbeiten neun neue Teams im Verbund museum4punkt0 für die digitale Vermittlung. Wir haben sie zu ihren Projekten befragt, die innerhalb einer kurzen Laufzeit Prototypen entwickeln und dabei gezielt auf eine nachhaltige Nutzbarkeit angelegt sind. In vier der Teilprojekte arbeiten neue Teams im Tandem mit bisherigen museum4punkt0-Teams zusammen. Die Nachnutzung konkreter digitaler Anwendungen ebenso wie von Kompetenzen ist Inhalt ihrer Projektarbeit. Gabriel von Münchow, Deutsches Museum, und Benjamin Rowles, Germanisches Nationalmuseum, berichten von ihrer Arbeit.
In aller Kürze: Was ist Ziel eures Teilprojekts?
Rowles: Das Germanische Nationalmuseum (GNM) möchte gerne von den Erfahrungen des Deutschen Museums (DM) mit Virtual Reality (VR) profitieren und eine XR-Station einrichten. Die Station soll auch für andere Museen und Zwecke übertragbar und adaptierbar sein. Darüber hinaus arbeiten wir an einem Thema, das für beide Museen neu ist: Telepräsenz für Besuchende an unterschiedlichen Orten. Damit können wir neue Wege des Austauschs eröffnen und zusammenbringen, was zusammengehört – zum Beispiel thematische verwandte Sammlungen des GNM und des DM, oder räumlich getrennte Ausstellungsorte desselben Museums.
von Münchow: Für das Deutsche Museum steht die Frage im Vordergrund, wie man in so einem Gemeinschaftsprojekt einerseits unsere bisherigen Erfahrungen weitergeben kann und andererseits ein gemeinsames neues Projekt entstehen kann. Das neue Telepräsenzprojekt soll dabei die gemeinschaftliche Arbeit verschiedener Museen, die wir auch im Verbund leben, an Besuchende weitergeben. Diese sollen von einem in das andere Haus blicken können und Gemeinsamkeiten erleben.
Wie läuft der Schulterschluss im Tandem? Sitzt ein Team vorn oder fahrt ihr nebeneinander?
Rowles: Das Team des Deutschen Museums hat definitiv mehr Erfahrung mit den Technologien und den Abläufen im Verbund museum4punkt0. Davon profitiert das Germanische Nationalmuseum regelmäßig. Was die Umsetzung der Projektmodule angeht, haben wir uns die Arbeit ein bisschen aufgeteilt. Das Team des GNM arbeitet im Moment verstärkt an der Erstellung von Raumscans von bald verschwindenden Dauerausstellungen sowie an deren Umsetzung in VR. Das Team des DM arbeitet an einer technischen Lösung, wie sich Besuchende mittels Telepräsenz austauschen können.
Von Münchow: Mit dem GNM als neuem Partner können wir von einer frischen Sichtweise profitieren. Als großes Haus hat das GNM viele Erfahrungen mit Besuchenden, Ausstellungskonzeption und der Zusammenarbeit mit Universitäten. Zudem ist es wie das DM eines der acht Leibniz-Forschungsmuseen. Deshalb setzen wir auf einen engen Austausch, der bei der großen räumlichen Entfernung manchmal gar nicht so einfach ist.
Die Projektlaufzeit ist kurz für die Entwicklung eines digitalen Vermittlungsangebots. Was hilft euch bei der Konzeption? Wovon habt ihr profitiert?
Von Münchow: Wir konnten einige Erfahrungen aus den letzten Phasen auf das neue Projekt übertragen: Wie geht man so ein Projekt an? Wie baut man eine funktionierende Kommunikation auf? Zudem konnten wir auch von anderen Partnern wie dem Humboldtforum lernen, die das Thema Telepräsenz bereits länger beschäftigt. Dennoch stellt die kurze Projektlaufzeit in der Planung und Durchführung eine große Herausforderung dar.
Wie begegnet ihr dem dynamischen Wandel von technischen Neuerungen und Nutzungsinteressen?
Von Münchow: Wir versuchen mit Befragungen unserer Besuchenden herauszufinden, was ihnen wichtig ist, um so den Wandel möglichst publikumsnah zu begegnen. Den dynamischen Wandel der Technik begegnen wir mit viel Recherche, aber auch indem wir verschiedene Dinge erstmal im kleinen Rahmen testen. Trotz der kurzen Projektlaufzeit konnten wir einige technische Lösungen ausprobieren. Die Herausforderung dabei ist, sich dann doch rechtzeitig auf eine Technologie festzulegen und diese umzusetzen.
Inwiefern ist euer Digitalprojekt nachhaltig? Inwiefern berücksichtigt ihr die langfristige Bereitstellung und Nachnutzung im Haus? Was können andere Häuser nachnutzen?
Rowles: Im GNM gab es von Anfang an ein Nachnutzungsszenario. Da bei uns ein ganzer Museumstrakt wegen Renovierungen für mehrere Jahre geschlossen sein wird, werden wir die dortigen Dauerausstellungen scannen. So bleiben die Ausstellungen nicht nur für das Museumspersonal und das Fachpublikum erhalten, sondern auch für Besucher*innen – online oder in der VR. Außerdem können wir die Raumscans in Außenstellen des Museums, beispielsweise in der Nürnberger Kaiserburg, zeigen und so eine Verbindung herstellen. Dasselbe gilt natürlich auch vice versa. Die Möglichkeiten sind endlos und können durch die Telepräsenz sogar noch erweitert werden. Andere Museen können von unseren Erfahrungsberichten profitieren und sich selbst eine XR-Station nach unserem Vorbild nachbauen.
Von Münchow: Dieses Projekt ist bereits eine Nachnutzung unserer digitalen Inhalte der vorhergehenden Phasen. So testen wir beispielsweise wie unsere VR-Inhalte sich aufs GNM übertragen lassen, ob sie ein anderes Betriebskonzept brauchen und wie sich die Inhalte in die neue Situation einbetten. Auf diese Weise könnten auch andere Museen von unserer VR-Erfahrung profitieren.
Das neue Projekt ist zwar auf unsere Museen abgestimmt, es verfolgt dennoch den Ansatz überall einsetzbar zu sein, um so die verschiedensten Museen und deren Besucher*innen näher zusammenzubringen.
Wie teilt ihr euer Wissen? Wie können andere Kulturinstitutionen von euren Kompetenzen profitieren?
Von Münchow: Wir versuchen unser Wissen und unsere Erfahrungen mit in den Verbund zu nehmen. Wie auch in den früheren Projektphasen geben wir unser Wissen aktiv in Arbeitskreisen weiter. Zudem tauschen wir uns auch mit einzelnen Partnern konkret über unsere Projekte aus.
Habt ihr zum Schluss einen Tipp? Wie plane ich ein nachhaltiges Digitalprojekt?
Von Münchow: Ein Projekt ist oft erst dann nachhaltig, wenn es ein bestehendes „Problem“ angeht oder löst. Es lohnt sich; einige Zeit in die konkrete Definition des Problems zu investieren oder, wenn bereits eine konkrete Idee besteht, sich zu fragen, welches Problem damit eigentlich gelöst werden kann. Das können die verschiedensten Dinge sein. Wie sorge ich für mehr Interaktion im Museum, mit den Objekten und zwischen Besuchenden? Wie mache ich mein Museum nach außen sichtbarer?
Oft haben andere Museen ähnliche Fragen. Mit dem Lösungsansatz des Projektes ist also vielen geholfen, man muss nur darauf achten, dass sich die Inhalte auch auf andere Museen übertragen lassen.
Fragen von Dr. Maite Kallweit, Antworten von Gabriel von Münchow und Benjamin Rowles
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