Wie katalogisiert man eigentlich virtuelle Realität? – Teil II: Anforderungsanalyse als iterativer Prozess
Vom Browsergame bis hin zum Virtual Reality-Erlebnis im Fahrsimulator – in museum4punkt0 entstehen verschiedene Arten digitaler Vermittlungsanwendungen. Wie kann das Wissen rund um diese Anwendung, zu deren Entwicklung und Beforschung erfasst werden?
Für die inhaltlich-thematische Erschließung digitaler Vermittlungsangebote gibt es bisher kaum Vorbilder. Nur ausgewählte Projekte beschäftigen sich mit der strukturierten Erfassung vermittlungsspezifischer Methoden und Strategien im musealen Kontext. Ein Beispiel ist das Projekt Xponat. Auf der Webplattform von Xponat kann recherchiert werden, für welche Objekttypen welche (primär analogen) Vermittlungsmethoden geeignet sind. Im Kontext von museum4punkt0 steht vor allem der Einsatz digitaler Technologien, ihnen zugrundeliegende Vermittlungsstrategien und die damit einhergehenden Entwicklungsschritte im Fokus des Interesses.
Um Konzepte, technische Umsetzungen, Entwicklungsmethoden und begleitende Untersuchungen zu erschließen und in einem Onlinekatalog recherchierbar zu machen, greifen wir auf das Wissen des Verbunds zurück.
Teamarbeit statt Silowissen
Bei der Entwicklung eines Rechercheinstruments ist es immer erforderlich, die Perspektive der Nutzenden einzunehmen: Was sind relevante Fragestellungen an das Material? Welche Themen und Inhalte sind von Interesse? Nach welchen spezifischen Aspekten wird gesucht? InternetnutzerInnen sind es gewohnt, Suchanfragen durch Filtermöglichkeiten einzuschränken, um gewünschte Ergebnisse zu erhalten (so z.B. auf Shoppingseiten). Da wir uns bei der Erschließung digitaler Vermittlungsformate auf Neuland begeben, müssen wir hier zunächst erst solche Kriterien identifizieren, die die Nutzenenden in die Lage versetzen, sinnvolle Suchen durchzuführen und brauchbare Ergebnisse zu finden. Um eine erfolgreiche Modellierung des Informationssystems umsetzen zu können, muss also zunächst eine Bedarfsanalyse durchführt werden. Deren Ziel ist es, Anforderungen an die Informationsarchitektur zu definieren.
Zur Formulierung dieser Anforderungen haben wir im Verbund ein teilprojektübergreifendes Team zusammengestellt. Es definiert gemeinsam Kriterien zur Erschließung digitaler Vermittlungsformate. Darüber hinaus nutzen wir auch die Expertisen unserer assoziierten Partner sowie den engen Austausch mit FachkollegInnen.
In regelmäßigen Treffen, zahlreichen Telefonkonferenzen und Videochats formulieren wir dabei konkrete Anforderungen und identifizieren Kriterien. Diese entwickeln wir mittels eines Sets an Fragen iterativ weiter, passen sie an und diskutieren sie im Verbund: Anhand einer initialen Recherche haben wir in der zentralen Projektsteuerung Ausgangsfragen formuliert, die die Partner anhand von Beispielen beantworten. Diese Rückmeldungen dienen dann zur Präzisierung des Fragensets.
Ein Beispiel für die iterative Vorgehensweise: Eine potenziell relevante Information könnte sein zu wissen, an welchen Punkten des Museumsbesuchs eine digitale Vermittlungsanwendung sinnvoll eingesetzt werden kann. Um dies zu beschreiben, haben wir uns zunächst an den Phasen der Visitor Journey orientiert: Inspiration, Planung und Organisation, Ankommen im Museum, In der Ausstellung, Nach der Ausstellung, Abreise, Rückkehr in den Alltag. Im Verlauf der Diskussion zeigte sich jedoch, dass diese Kategorisierung dem eigentlichen Ziel nicht gerecht wird. Denn es sind weniger die Kontaktpunkte von BesucherInnen und Museum, die hier von Interesse sind, sondern die Einsatzbereiche und –orte, bei denen unsere konkreten Anwendungen bereits zum Einsatz kommen. Im Fragenkatalog passten wir diesen Punkt also immer wieder an, bis wir schlussendlich ein wesentlich reduzierteres und vor allem passenderes Set an Kategorien definieren konnten: Dauerausstellung, Sonderausstellung, Weg durchs Museum, online und außer Haus.
Bei der Formulierung der Bedarfe haben wir versucht insbesondere die Perspektive anderer Kulturinstitutionen einzunehmen und dabei zu identifizieren, welche Kriterien für diese von Interesse sind:
- Welche Informationen werden benötigt, um den Entwicklungs- und Umsetzungsaufwand einschätzen zu können?
- Welche Expertisen, Werkzeuge, Prozesse sind erforderlich, um eine solche oder ähnliche Anwendung zu konzipieren und umzusetzen?
- Wie lange dauert solch ein Prozess von der Idee bis hin zur technischen Umsetzung?
- Welche Angaben sind interessant, um eigene Anforderungen an die Entwicklung digitaler Anwendungen definieren zu können?
Metadatenschema & ontologisch-basierte Modellierung
Aus den Anforderungen entwickeln wir ein Erfassungsschema, mit dem digitale Vermittlungsangebote inhaltlich-thematisch erschlossen werden können. Insbesondere vermittlungsspezifische Aspekte wie angewandte Methoden, Definition der Zielgruppen und adressierte Bedürfnisse der BenutzerInnen werden mit dem Schema dokumentiert.
Ein weiterer Fokus liegt auf der systematischen Erfassung der Entwicklungsschritte von der Ideenfindung und Recherche, über die inhaltliche und technische Konzeption sowie Materialerzeugung/-beschaffung bis hin zur Umsetzung. Hier werden insbesondere die von den Projektpartnern angewandten Werkzeuge (z.B. Programmierumgebungen oder technisches Equipment) und vor allem auch benötigte Expertisen und Kenntnisse erfasst. Eine Recherche im Katalog soll schließlich aufzeigen, welche technische Ausstattung und welches Knowhow beispielsweise bei der Entwicklung einer VR-Sequenz zum Einsatz kommen.
So können andere Museen, Kultur- und Bildungsinstitutionen am Beispiel von museum4punkt0 relevante Parameter ableiten, die für die Realisierung eigener Digitalvorhaben zu beachten sind.
Beitrag von: Franziska Diehr