Anwendungen nachhaltig erweitern und modifizieren!
Kolleg*innen des Teilprojektes „(De-)Coding Culture extended. Digitale Kompetenz in kulturellen Räumen“ proben optimale Nachnutzungen von Anwendungen.
Seit Frühjahr 2022 arbeiten neun neue Teams im Verbund museum4punkt0 für die digitale Vermittlung. Wir haben sie zu ihren Projekten befragt, die innerhalb einer kurzen Laufzeit Prototypen entwickeln und dabei gezielt auf eine nachhaltige Nutzbarkeit angelegt sind. In vier der Teilprojekte arbeiten neue Teams im Tandem mit bisherigen museum4punkt0-Teams zusammen. Die Nachnutzung konkreter digitaler Anwendungen ebenso wie von Kompetenz ist Inhalt ihrer Projektarbeit. Sara Oslislo, Museumsstiftung Post und Telekommunikation, und Timo Schumacher, Staatliche Museen zu Berlin, berichten von ihrer Arbeit.
In aller Kürze: Was ist Ziel eures Teilprojekts?
Sara Oslislo: Die Weiterentwicklung und Nachnutzung des digitalen Web App-Frameworks „display“ zur Darstellung von 3D-digitalisierten Sammlungsobjekten. Dabei soll die bereits seit zwei Jahren existierende Web App aus dem Teilprojekt der Staatlichen Museen zu Berlin (SMB) den Belangen der jeweiligen Sammlung angepasst und erweitert werden. Begleitende Besucher*innenforschung lotet dabei die Bedürfnisse der Nutzer*innen aus, um den ausgewählten Objekten durch das digitale Tool den Interessen der Besucher*innen entsprechend anzupassen und weiterzuentwickeln. Um die Nachnutzung zu optimieren, entwickeln wir gemeinsam ein einfach bedienbares Content-Management-System zur Darstellung von 3D-digitalisierten Objekten mittels einer Progressiven Web-App (PWA).
Wie läuft der Schulterschluss im Tandem? Sitzt ein Team vorn oder fahrt ihr nebeneinander?
Sara Oslislo: Wir fahren gemeinsam nebeneinander in die gleiche Richtung, profitieren aber davon, dass unsere Tandem-Kolleg*innen die Route bereits gut kennen. So können wir gemeinsam Stolpersteine und Hindernisse umfahren und wissen, wo die Points-of-Interest liegen!
Die Projektlaufzeit ist kurz für die Entwicklung eines digitalen Vermittlungsangebots. Was hilft euch bei der Konzeption? Wovon habt ihr profitiert?
Sara Oslislo: Gemeinsam mit Fanet Göttlich vom Zentrum für Digitale Kulturgüter in Museen (Zedikum) haben wir bereits im Juni einen ersten Test-Scan eines Sammlungsobjekts der Museumsstiftung Post und Telekommunikation (MSPT) mit dem Photogrammetrieverfahren scannen können. Dieser Schulterschluss mit anderen Institutionen, die bereits Erfahrungen auf diesem Feld haben, ist für uns ein großer Gewinn und Vorteil, denn so können wir auf die Expertise unserer Tandempartner*innenzurückgreifen! Das Projektteam der SMB war zudem auch bei unserem Kick Off Meeting mit Kolleg*innen der MSPT dabei und hat die bisher entstandenen Projekte im Rahmen von museum4punkt0 vorgestellt, die wir nun nachnutzen werden.
Wie begegnet ihr dem dynamischen Wandel von technischen Neuerungen und Nutzungsinteressen?
Timo Schuhmacher: Zunächst kann die getrennte Betrachtung der beiden Aufgabenbereiche technische Neuerung und Wandel von Nutzer*inneninteressen eine gute Hilfestellung sein.
Im Verlauf des Teilprojekts der SMB haben wir festgestellt, dass der wichtigste Aspekt dieses Wandels darin besteht, Besucher*innen und Nutzer*innen ernst zu nehmen und ihre Perspektive einzunehmen. In den vergangenen Monaten haben wir beispielsweise mit einer Fokusgruppe aus Museumsbesucher*innen Workshops zur Erstellung einer Museums-KI durchgeführt. Dabei haben Besucher*innen die Rolle von Auftraggeber*innen und das Projektteam die Moderation übernommen. Dies war ungeheuer wichtig und hilfreich um eine Lösung zu finden, die verspricht, für ganz unterschiedliche Besuchsmotivationen relevant zu sein.
Ein anderes Beispiel ist das gemeinsame Projekt, bei welchem es um ein Tool geht, das Museumsobjekte als digitalen Zwilling greifbar und vor allem nach eigenem Interesse individuell erkundbar machen soll. Ein wichtiger Punkt ist hierbei, den Besucher*innen relevante Inhalte an die Hand zu geben. Von technischer Seite stellt sich dann die Frage: Kann das neue Medium hier neue Zusammenhänge transportieren? Mit der neuen Version unserer Progressiven Web-App (PWA) werden wir gezielt auf Animationen an Objekten eingehen, was ebenfalls ganz neue Kontexte zu den dargestellten Objekten schaffen wird.
Inwiefern ist euer Digitalprojekt nachhaltig? Inwiefern berücksichtigt ihr die langfristige Bereitstellung und Nachnutzung im Haus? Was können andere Häuser nachnutzen?
Timo Schuhmacher: Die Nachhaltigkeit von digitalen Entwicklungen ist ein großes Thema – im Verbund museum4punkt0 und bei den Stiftungen und Museumsverbunden wie den SMB. Als Team stehen wir seit 2017 vor der Frage, wie möglichst viele Häuser Entwicklungen sinnvoll nachnutzen können.
Ein Lösungsansatz ist hierbei, nicht einzelne Projekte und Anwendungen in den Mittelpunkt zu stellen. Vielmehr setzen wir den Fokus auf modulare und erweiterbare Entwicklungen von Apps und Anwendungen und somit von Medien, die als Baukasten relevante Inhalte und Themen für unterschiedliche Besucher*innen bieten können.
Seit der ersten Entwicklung 2019 wurde die bisherige PWA dreimal angepasst und in Ausstellungen nachgenutzt. Hierfür waren minimale Änderungen im Source-Code notwendig. Diese Abläufe müssen vereinfacht werden, damit Anpassungen flexibler umzusetzen sind.
Wie teilt ihr euer Wissen? Wie können andere Kulturinstitutionen von euren Kompetenzen profitieren?
Sara Oslislo: Wir planen Workshops und Veranstaltungen, in denen wir unseren Projektverlauf vorstellen und natürlich die Ergebnisse besprechen und diskutieren! Insbesondere Learnings, Hindernisse und Erfolge möchten wir dabei ganz offen und ehrlich thematisieren – wir stehen allen gerne für Fragen zur Verfügung und freuen uns, ebenfalls stets über Tipps und Hilfestellungen!
Habt ihr zum Schluss einen Tipp? Wie plane ich ein nachhaltiges Digitalprojekt?
Timo Schuhmacher: Wie bei jedem Projekt sollte man sich zunächst die Frage stellen: „Was soll eigentlich geändert werden?“. Im nächsten Schritt kann man sich durch die Säulen „Infrastruktur – digitale Anwendungen – Besucher*innenforschung“ einen Überblick verschaffen: Was ist leistbar? Wo sind wir bereit Abstriche zu machen? Wo wollen wir besser werden? Die drei Teilbereiche bilden dazu einen Querschnitt durch alle Maßnahmen ab. Zusätzlich sollten Nutzer*innen von Beginn an einbezogen werden, um herauszuarbeiten, welche Bedürfnisse und Wünsche es bezüglich des Museumsbesuches gibt. Wie geht das Museum mit Ambivalenzen der unterschiedlichen Motivationen um? Außerdem sollte man Erwartungsmanagement betreiben um festzulegen, was die digitale Anwendung leisten muss und wie diese in unterschiedlichen Ausstellungen oder Kontexten eingesetzt werden kann. Und zu guter Letzt sollte man sich immer wieder vor Augen führen, dass vor allem die Inhalte einer Anwendung relevant sind, zu denen die neuen, digitalen Medien neue Zugänge und Dynamiken in der Rezeption schaffen.
Fragen von Dr. Maite Kallweit, Antworten von Sara Oslislo und Timo Schuhmacher