29. März 2019
Teilen, Wissenstransfer

Zwei Virtuelle Realitäten, vier Volontärinnen, zwei inspirierende Workshop-Tage

Gemeinsam mit rund 300 wissenschaftlichen VolontärInnen aus ganz Deutschland kamen wir – Johanna Knoop, Melanie Fletcher, Janina Schneider und Anke Neumeister – am 07. und 08.03.2019 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zusammen, um uns bei der Bundesvolontariatstagung (BVT) in das Thema „Innovation, Digitalisierung, Modernisierung – wie sich unsere Museen verändern“ zu vertiefen.

Die Bundesvolontariatstagung ist die größte bundesweite Fortbildungsveranstaltung für VolontärInnen in Museen und vergleichbaren kulturellen Einrichtungen. Sie wird in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Volontariat im Deutschen Museumsbund organisiert und dient neben der Fortbildung als Forum zur Auseinandersetzung mit aktuellen Entwicklungen.

v.l.n.r.: Janina Schneider, Anke Neumeister, Johanna Knoop und Melanie Fletcher © Marie-Antoinette Grünter

Ein abwechslungsreiches Tagungsprogramm ergab sich aus spannenden Vorträgen am Vormittag, u. a. von Digitalstrategieexperte Dr. Christian Gries sowie Salma Jreige und Hussam Zahim Mohammed vom Projekt „Multaka: Treffpunkt Museum“. Ergänzt wurden sie durch Führungen und Workshops am Nachmittag. Bei einem abendlichen „Get Together“ bot das Goethe-Museum Raum für Vernetzung und Austausch unter den Akteuren der BVT.

Mit unserem zweistündigen verbundübergreifenden Workshop-Format „Virtual Reality im Museum – Perspektiven aus zwei Museen“ waren wir an beiden Tagungsnachmittagen neben 15 weiteren Workshops und Führungen das einzige überregionale Angebot.

Workshop-Gestaltung

Im Rahmen einer kurzen Blitzlicht-Vorstellungsrunde erschien es uns vorab wichtig zu erfahren, aus welchem Museumskontext bzw. aus welchen kulturellen Einrichtungen unsere rund 20 Workshop-TeilnehmerInnen kommen und welche Erfahrungen sie bereits mit Virtual Reality (VR) – sowohl beruflich als auch privat – gemacht haben. Außerdem war für uns von besonderem Interesse, wie bekannt unser Verbundprojekt innerhalb der deutschen Museumscommunity tatsächlich ist.

Konzepte aus Bremerhaven und Görlitz im Überblick © Anke U. Neumeister
Konzepte aus Bremerhaven und Görlitz im Überblick © Anke U. Neumeister
Workshop auf der Bundesvolontariatstagung © Anke U. Neumeister

Um alle auf den gleichen Wissensstand zu bringen, präsentierten wir die wichtigsten Fakten zu museum4punkt0. In Impulsvorträgen stellten wir die Teilprojekte an unseren beiden Häusern vor und erläuterten, mit welchem Ziel und in welchem Rahmen wir die VR „Abenteuer Bodenleben“ am Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz und die VR „KRIEGsgefangen. OHNMACHT. SEHNSUCHT. 1914 – 1921. Ein Ausstellungsexperiment mit Virtual Reality.“ am Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven entwickelt haben. Da keine „echte“ VR bei unserem Workshop ausprobiert werden konnte, versuchten wir, mithilfe zahlreicher Videos und Bilder, einen Eindruck von den unterschiedlichen VR-Formaten zu vermitteln.

In einem Ausstellungsexperiment untersuchte das Auswandererhaus Bremerhaven von August bis November, wie BesucherInnen das Thema Zwangsmigration in einer rein digitalen und einer rein analogen Ausstellungssituation jeweils wahrnehmen. © Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven
In einem Ausstellungsexperiment untersuchte das Auswandererhaus Bremerhaven von August bis November, wie BesucherInnen das Thema Zwangsmigration in einer rein digitalen und einer rein analogen Ausstellungssituation jeweils wahrnehmen. © Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven
Seit Ende 2017 vermittelt das Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz die Fülle des Lebens im Waldboden über eine Virtual Reality-Anwendung. Neue Citizen-Science-Angebote sind bereits in Arbeit. © Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz /.hapto

In drei Arbeitsgruppen wurden anschließend drei Fragestellungen intensiv bearbeitet und diskutiert: Eine Gruppe machte sich Gedanken darüber, welche Voraussetzungen es braucht, um VR im Museum integrieren zu können. Die zweite Gruppe arbeitete heraus, welche Chancen der Einsatz von VR an einem Museum bietet und inwieweit ein Mehrwert daraus generiert werden kann. Die dritte Gruppe tauschte sich in diesem Zusammenhang über eventuelle Herausforderungen, die sich ergeben können, aus.

Präsentation der Ergebnisse

Im Workshop-Plenum stellte jede Gruppe ihre Arbeitsergebnisse vor, anhand derer wir von unseren eigenen Erfahrungen detailliert berichteten und zahlreiche weiterführende Fragen, etwa zum Personalaufwand, zur Sicherheit, Technik, Nachhaltigkeit oder zum Edutainement-Potenzial, beantworten konnten. Eine angeregte Debatte ergab sich am zweiten Workshop-Tag um die Stichworte „wissenschaftliche Ethik“ und „Perspektivwechsel“ im Kontext der Arbeit von Gedenkstätten. Dabei wurden vor allem Fragen zu inhaltlichen ethisch-moralischen Grenzen bei einer VR-Entwicklung aufgeworfen. Welche historischen Themen sind für (digitale) Virtual Reality-Darstellungen geeignet und welche eher nicht? Vor allem das Risiko der Verzerrung von historischen Gegebenheiten durch den spielerischen Ansatz von VR wurde dabei kritisch hinterfragt. Wenn diese Verzerrung von BesucherInnen als historische Realität wahrgenommen und abgespeichert wird, verfehlt die VR dann ihren eigentlichen Vermittlungsansatz? Als besonders problematisch erachtet wurde die Annahme, dass historische Ereignisse durch das immersive Erleben innerhalb der VR-Nutzung in irgendeiner Form ’nachempfindbar‘ werden. Hinzu kommt, dass die Thematisierung von historisch sensiblen Themen gegebenenfalls einer intensiven Betreuung der BesucherInnen bedarf. Ein weiterer diskutierter Aspekt war die Erzählperspektive. Eine Teilnehmerin erklärte, dass sie niemals die Opferperspektive nutzen würde, da man dadurch das Leid der Opfer instrumentalisiere, um die Geschichte zu vermitteln. Die VR sei dafür kein angemessenes Tool. Auch hier solle man nicht denken, das Leid der Opfer in irgendeiner Form „nachempfindbar“ machen zu können.

Themen der Debatte am zweiten Workshoptag © Anke U. Neumeister

Workshop-Erkenntnisse von der Bundesvolontariatstagung

Für uns vier Volontärinnen waren beide Workshop-Nachmittage mit wichtigen Erkenntnissen verknüpft: Unser Verbundprojekt ist, anders als erhofft, bei mehr als der Hälfte aller am Workshop teilnehmenden VolontärInnen noch nicht oder wenig bekannt. Erfahrungen mit dem digitalen Vermittlungsformat VR, sowohl privat als auch im musealen Kontext, sind kaum oder nicht vorhanden. Aufgrund der vielen Fragen zur noch relativ neuen VR-Technik, angeregten Diskussionen zu deren Einsatz in Museen und anderen kulturellen Institutionen und dem offensichtlichen Bedarf an konkreten Erfahrungsberichten aus der Praxis, wurde immer wieder deutlich, wie wichtig und aktuell unsere derzeitige (Vor-)Arbeit für andere Museen bereits ist und zukünftig sein wird. Wie empfahl Christian Gries in seinem ausgezeichneten Vortrag „Räume, Träume, Traumata. Über digitale Strategien in Museen. Der Blick auf Erfahrungen in Bayern.“ so schön: „Sich austauschen und gemeinsam voneinander lernen.“ Genau das durften wir auf der BVT in Düsseldorf und genau das machen wir im Rahmen von museum4punkt0.

Beitrag von: Anke U. Neumeister

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