2. März 2021
Teilen, Verbundarbeit, Vermittlungskonzepte, Wissenstransfer

(De-)Coding Culture – Kulturelle Kompetenz im virtuellen Raum

Das museum4punkt0-Team der Staatlichen Museen zu Berlin verbindet analoge und digitale Räume und rückt die Verständigung und die Vernetzung zwischen Museen und ihren Publika in den Fokus.

Erweiterung des musealen Raums
Die Erweiterung des musealen Raums durch vertiefende Objektinformationen, Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Retina Fabrik, CC BY 4.0

Das museum4punkt0-Teilprojekt der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SMB) hat 2017 das Ziel formuliert, eine digital erfahrbare Visitor Journey zu konzipieren und umzusetzen. Hierbei standen die Diversität des Publikums, seine Erwartungen und Wünsche an den Museumsbesuch und digitale Anwendungen, sowie die dafür notwendigen infrastrukturellen und organisationalen Voraussetzungen im Fokus. Im Jahr 2019 wurde das Ziel des Teilprojektes weiter geschärft und – im Sinne eines holistischen Verständnisses zeitgemäßer Museumsarbeit – die Bereiche BesucherInnenforschung, Anwendungen und Strukturmaßnahmen, die in ihrem Zusammenspiel die Voraussetzungen für die vielfältigen Kontaktpunkte zwischen Besucher- und NutzerInnen von Museen – die Visitor Journey – schaffen, als grundlegende Säulen des Teilprojektes definiert. Der analoge und der digitale Museumsraum werden dabei als komplementäre Gestaltungsmittel eines Gesamterlebnisses verstanden.

Gleich zu Beginn des Projekts wurde eine umfassende BesucherInnenbefragung innerhalb der SMB durchgeführt, um zu untersuchen, welche Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen aber auch kritische Kontaktpunkte BesucherInnen haben, wenn sie ein Museum besuchen und (digitale) Vermittlungs- und Kommunikationsangebote wahrnehmen. Um die konkrete Medien- und Museumserfahrung von digitalen Technologien verschiedener BesucherInnen- und NutzerInnengruppen zu analysieren, wurden zudem mehrere Rezeptionsforschungsprojekte durchgeführt. Als logische Weiterentwicklung von der Untersuchung der Bedürfnisse und Wünsche der BesucherInnen an digitale Technologien, hin zur Wirkung und Rezeption von digitalen Technologien im Museum, liegt der Fokus dabei auf dem, mit dem Einsatz digitaler Technologien möglichst einhergehenden und erwünschten, Mehrwert für den zielgruppenspezifischen Einsatz in Museen.

Um die Potentiale digitaler Technologien in Museen zu erforschen, wurden innerhalb des Teilprojekts verschiedene Anwendungen in unterschiedlichen technologischen Ausbaustufen entwickelt. So sind nicht nur lauffähige Versionen, wie die Progressive Web App, der interaktive Future Walk oder die Neukonzeption der Online Sammlungen (SMB Digital), sondern ebenso Konzeptstudien und Low-Fidelity-Prototypen entstanden. Allen gemeinsam ist das Ziel, museale Objekte und Wissen mithilfe digitaler Technologien zu vermitteln sowie mit den BesucherInnen innerhalb und außerhalb des musealen Raums zu kommunizieren und zu interagieren.

Auch der Auf- und Ausbau konkreter technischer Infrastrukturen und das Generieren und Dokumentieren von (Objekt-)Daten sowie Entwicklungen innerhalb der Organisationsstrukturen waren und sind eine wichtige Säule des Teilprojekts. Ziel ist, die entwickelten Anwendungen durch nachhaltige Infrastrukturen, die Etablierung effizienter und dynamischer Workflows, einen kontinuierlichen Wissenstransfer und den systematischen Ausbau methodischer Kompetenzen in den Museen zu ergänzen.

In einer zweiten Projektphase von museum4punkt0 gilt es, auf den Erfahrungen der ersten Phase aufzubauen sowie die gewonnenen Erkenntnisse zu vertiefen und gezielt anzuwenden. Dabei steht der Mehrwert für den Wissenstransfer zwischen Museen, Objekten und BesucherInnen und nicht die Technologie selbst im Zentrum der Arbeit. Gleichzeitig sollen die Möglichkeiten und Grenzen ausgelotet werden, den physischen Museumsraum mithilfe digitaler Technologien zu erweitern und so einen symmetrischen Dialog zwischen den Kunstwerken, Institution(en) und der Öffentlichkeit sowie eine Verbindung von analogem und digitalem Raum herzustellen.

In der zweiten Phase verfolgen die SMB mit dem Thema „(De-)Coding Culture. Kulturelle Kompetenz im Digitalen Raum“, das Ziel, mithilfe innovativer und nutzerInnenzentrierter digitaler Technologien vielfältige Bezüge zwischen den Objekten und den BesucherInnen unserer Museen herzustellen und so die Bedeutung von Kunst und Kultur für die alltägliche Lebenswelt / den individuellen Alltag unserer BesucherInnen aufzuzeigen. Die so herausgearbeitete, identitätsstiftende Wirkung von Kunst und Kultur richtet sich an ein möglichst breites und diverses Publikum, regt zur Auseinandersetzung an und stärkt die Bindung zwischen unseren BesucherInnen und unseren Museen (Empathy und Engagement).

Die Vermittlung von Kunst und Kultur verstehen wir dabei, im Sinne einer Demokratisierung musealen Wissens, als „Médiation culturelle“, als „Herstellung von Austauschbeziehungen zwischen Publikum, Werken, KünstlerInnen und Institutionen“ (ZHdK 2009-2012, S. 17). Damit erweitern wir die Perspektive des individuellen Zugangs eines diversen Publikums und rücken die Verständigung und die Vernetzung zwischen Museen und ihren Publika in den Fokus: „Verstehenslücken [werden] gerade nicht mit Fachwissen geschlossen, sondern als Ausgangspunkt für die Entstehung von Dialogen und für ästhetische Erfahrungen begriffen“ (Ebd.).

Vor diesem Hintergrund wollen wir gemeinsam mit unseren BesucherInnen die Frage nach der eigenen Identität und, damit verbunden, dem Sinn von Existenz stellen. Daran schließen sich weitere Fragen an: wie sich Identitäte(n) herausbilden, was sie ausmacht und wie sich die eigene von den anderen, den Unbekannten und Fremden unterscheidet. Museen sind Teil des kulturellen Gedächtnisses von Gesellschaften. Sie sammeln und bewahren ihre im/materiellen Zeugnisse und sind damit Orte kultureller Identitätsbildung und -versicherung. Dabei ist es jedoch gerade nicht ihre Aufgabe, die Fragen nach den – aus dem kulturellen Gedächtnis von Gesellschaft ablesbaren – Identitäten zu beantworten, sondern vielmehr, über ihre Objekte und Kunstwerke in den Austausch und den Dialog mit ihren BesucherInnen zu treten.

Das größte Projekt in den kommenden Monaten wird der Ausbau der Online-Sammlungen als Multiexperience-Plattform sein. Die Sammlungen der SMB und die darin enthaltenen Objekte und Kunstwerke werden dabei, ausgehend von ihrem identitätsstiftenden Wert und ihrer Bedeutung für Kunst und Kultur, in einem Prozess stetiger, reflexiver Selbst-Vergewisserung von Individuum und Gesellschaft – dem kulturellen Gedächtnis –  befragt und vermittelt. Zu diesem Zweck werden, über die – in der ersten Projektphase geschaffene – API der Online-Sammlungen der SMB, mittels Künstlicher Intelligenz (KI) und Linked Open Data (Normdaten-Verknüpfung), individuelle Bezüge zwischen und zu den Sammlungen hergestellt.

An die aufgebauten Kompetenzen des Projekts anknüpfend, werden eingespielte Praktiken und Erkenntnisse eingebracht, um eine gezielte NutzerInnenorientierung während des gesamten Entwicklungsprozesses zu gewährleisten.  Dabei wollen wir auch ko-kreative Prozesse einsetzen – miteinander statt füreinanderund das Thema Inklusion mit Hilfe von Einbeziehung von ExpertInnen in eigener Sache gezielt angehen.

Beitrag von: Katharina Fendius

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Teilprojekt: (De-)Coding Culture. Kulturelle Kompetenz im Digitalen Raum
Teilprojekt

(De-)Coding Culture. Kulturelle Kompetenz im Digitalen Raum

Das museum4punkt0-Team der Staatlichen Museen zu Berlin baut unter anderem die Online-Sammlungen der SMB als Multiexperience-Plattform aus, um vielfältige Bezüge zwischen Objekten und Nutzer*innen herzustellen und damit die identitätsstiftende Wirkung von Kunst und Kultur zu fördern.

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