Digital Meer erleben
Anke Neumeister, Mitarbeiterin für multimediale Öffentlichkeitsarbeit, über die digitale Erweiterung des Museumsraums und berühmte Pinguine.
Die Stiftung Deutsches Meeresmuseum ist assoziierter Partner von museum4punkt0. Was versprechen Sie sich von der Zusammenarbeit?
Eine Besonderheit an den Standorten der Stiftung Deutsches Meeresmuseum ist die lebendige Ergänzung der Ausstellungen durch Aquarien. Mit der Möglichkeit einer Unterwasserreise durch die nördlichen und tropischen Meere, bei der Meerestiere in naturnah gestalteten Lebensräumen „live“ erlebt werden können, heben wir uns von anderen naturkundlichen Einrichtungen ab. Auch wenn die Ansprache eines breiten Publikums dadurch erleichtert wird, suchen wir stetig neue Möglichkeiten, mit den BesucherInnen, gerade auch über digitale Formate, in stärkeren Austausch zu treten und Partizipationsmöglichkeiten zu erweitern. Von der assoziierten partnerschaftlichen Zusammenarbeit bei museum4punkt0 versprechen wir uns hierbei neue Impulse und eine Stärkung der Digitalkompetenzen an unseren Häusern.
Darüber hinaus bietet die unmittelbar bevorstehende umfangreiche Modernisierung des MEERESMUSEUMs zahlreiche Möglichkeiten einer ergiebigen Zusammenarbeit. Wir verfolgen im Zusammenhang mit der Sanierung des historischen Klostergebäudes in der Stralsunder Altstadt ehrgeizige Ziele, gerade hinsichtlich des Einsatzes digitaler Vermittlungsinstrumente. Im Rahmen von museum4punkt0 sind bereits zahlreiche Prototypen auf Basis innovativer digitaler Technologien entstanden. Eine Weitergabe von Wissen aus dem Verbund könnte uns in der fortlaufenden Planungs- und Umsetzungsphase bei der Auswahl geeigneter technischer Formate unterstützen. Zugleich wäre sicherlich unsere Einschätzung zu den Möglichkeiten der Nachnutzung entstandener digitaler Anwendungen ein wichtiger Indikator für deren Praxistauglichkeit.
Welche digitalen Angebote können BesucherInnen Ihres Museums / Ihrer Häuser bereits nutzen?
Wir bieten mit unserer Webseite eine umfangreiche Informationsplattform an. Zahlreiche Inhalte für vier Standorte und die Stiftung selbst müssen unter einen Hut gebracht und aktuell gehalten werden. Wir arbeiten deshalb kontinuierlich daran, unseren Online-Auftritt nutzerInnenfreundlich zu gestalten. Mit unseren Social-Media-Angeboten möchten wir den Kontakt zu den BesucherInnen vor und nach dem Museumsaufenthalt herstellen bzw. aufrechterhalten. Insbesondere bei Facebook freuen wir uns mit rund 25.000 Followern über eine große und dazu – was letztlich wichtiger ist – treue Community, die uns mit ihrem stetigen Feedback hilft, unsere Angebote zu optimieren. Auch im wissenschaftlichen Bereich spielt die Rückmeldung der Öffentlichkeit eine große Rolle. Mit der App „OstSeeTiere“ regen wir BürgerInnen dazu an, sich aktiv an Forschung zu beteiligen. Mit diesem digitalen Werkzeug können Sichtungen von Meeressäugetieren in der Ostsee direkt an unsere WissenschaftlerInnen gemeldet werden. So ist es möglich, die Aufenthaltsgebiete von Schweinswalen, Kegelrobben und Seehunden zu analysieren. Im letzten Jahr wurde im OZEANEUM die Virtual Reality-Installation „OstseeLife“, eine digitale Anwendung vom Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU), präsentiert. Bei einer BesucherInnenzahl von rund 6.000 Gästen an Spitzentagen in den Sommermonaten gestaltete sich die Betreuung als äußerst schwierig. Hier wären im Zuge der Verbundarbeit bereits entwickelte Betriebskonzepte hilfreich gewesen. In unseren Ausstellungen sind außerdem zahlreiche Touchscreen-Anwendungen zu finden, u. a. ein 4K Multitouch-Tisch mit vier Interaktionsplätzen im OZEANEUM und digitale Spielstationen unter dem Titel „Ab ins Meer – wer schützt, gewinnt“ im MEERESMUSEUM. Beide Standorte können auf virtuellen Rundgängen seit 2016 durch eine Kooperation mit Google Arts & Culture digital erschlossen werden.
Wie würde Ihre persönliche Visitor Journey rundum Ihr Museum und darin aussehen?
Mich zieht es dann doch immer wieder ganz klassisch in unsere Häuser, natürlich auch immer auf der Suche nach Bildmotiven bzw. besonderen Blickwinkeln. Im MEERESMUSEUM liebe ich den Blick nach oben, wenn ich mich im Chor der Katharinenhalle unter dem dort aufgehängten imposanten Finnwalskelett positioniere. Besonders gern genieße ich im OZEANEUM den Blick von der Pinguindachterrasse über die Stadt und lausche dabei den ungewöhnlich klingenden Lauten der Humboldt-Pinguine, darunter auch Olli und Alexandra – die beiden Patenpinguine von Monika Grütters und Angela Merkel.
Welche Erfahrungen und Erkenntnisse hinsichtlich des Nutzungsinteresses digitaler Museumsangebote nehmen Sie mit aus der Zeit notwendiger Einschränkungen des regulären Betriebs?
Gerade unsere speziell auf Kinder, Eltern und LehrerInnen ausgerichteten Angebote auf unserer Seite kindermeer.de haben in der Zeit der coronabedingten Einschränkungen ein Nutzungshoch erlebt, was natürlich in Anbetracht der veränderten familiären Lebensumstände in der Krise nicht verwunderlich ist. Der Hype um die virtuellen Rundgänge durch die Museen – wir waren zunächst froh, dass wir das Angebot durch die Kooperation mit Google Arts & Culture seit 2016 direkt anbieten konnten – ebbte schnell wieder ab. Das und dazu die Rückmeldungen unserer Online-BesucherInnen haben gezeigt, dass die digitalen Angebote auf Dauer nicht für sich alleinstehen können. Es braucht den physischen Raum für die Eindrücke auf allen Sinnesebenen und das kann nur das Erlebnis eines Museumsbesuchs schaffen. Nichtsdestotrotz bietet uns die digitale Erweiterung des Museumsraums zahlreiche Möglichkeiten, ein breitgefächertes Publikum anzusprechen und auf die Bedürfnisse und Wünsche flexibel einzugehen. Während der Schließung unserer Museumsstandorte haben wir unsere digitalen und multimedialen Angebote, wie viele andere Institutionen auch, stärker ausgebaut und beworben. Um einen „digitalen Museumsbesuch“ zu ermöglichen, haben wir viel improvisiert, Live-Streams von Fütterungen auf Facebook übertragen, bei denen uns die NutzerInnen Fragen stellen konnten und an verschiedenen Videoformaten gearbeitet. So zeigten wir eine Fütterung der Fische des größten Aquariums im Split Screen vor und hinter den Kulissen, begleiteten unseren Taucheinsatzeinleiter Henning May auf seinem Weg durch die leeren Ausstellungen zu einem Tauchgang im Helgolandtunnel und ließen unser Schweinswal-Maskottchen Walfred durch das leere Museum tanzen. Walfred hilft uns aktuell zudem, das eigentlich nicht wirklich erfreuliche Thema Abstands- und Hygieneregeln auf lockere, lustige Weise sowohl online als auch auf großformatiger LED-Wand vor dem OZEANEUM zu vermitteln.
Wo sehen Sie Möglichkeiten, Synergien mit anderen Institutionen der deutschen Museumslandschaft zu nutzen? Wo sehen Sie in diesem Zusammenhang die Chancen von museum4punkt0?
Museen und anderen kulturellen Institutionen wird immer wieder nachgesagt, sich wie Elfenbeintürme abzuschotten, elitär zu agieren. In einer länder- und institutionsübergreifenden Zusammenarbeit von Museen FÜR Museen und letztlich FÜR die BesucherInnen, so wie es sich das Projekt museum4punkt0 auf die Fahne geschrieben hat, sehen wir enormes Potenzial, vorhandene (nicht immer ganz unwahre) Vorurteile abzubauen und Klischees aufzubrechen. Niemand ist eine Insel. Und auch große Häuser können von kleineren Institutionen durchaus einiges lernen.
Beitrag von: Anke Neumeister