Digital-Storytelling-Workshops. Labor zur Partizipation für Kinder, Jugendliche und Erwachsene
Überblick
Information und Dokumentation
Verwandte Ergebnisse
- Zeitraum
- von 1. März 2019
bis 31. August 2020
Das Projekt erprobte die Möglichkeiten der Partizipation und Multiperspektivität im Museumskontext mittels Digital Storytelling. Im Rahmen des Vorhabens wurden Digital-Storytelling-Workshops für Schulklassen, Einzelbesucher*innen, Senior*innengruppen und Kleingruppen entwickelt und umgesetzt. Den Teilnehmer*innen wurden darin Grundkenntnisse zur Filmherstellung mit Smartphone und Gimbal vermittelt, sodass sie ausgehend von einem Objekt des Humboldt Forums ihre eigene Videostory produzieren konnten und so eine objektbezogene Wissensvertiefung erlangten.
Das Format „Digital-Storytelling-Workshops. Labor zur Partizipation für Kinder, Jugendliche und Erwachsene“ wurde zwischen 2019 und 2020 im Rahmen des Teilprojekts „Der humboldt’sche Kosmos im digitalen Raum“ entwickelt und durchgeführt.
Bibliographische Angaben
- Institution
- Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss
- Teilprojekt
- RealDigital – Hybride Kultur-Veranstaltungen
- Autor*innen
- Redaktion und Finalisierung Mariette Franz, nach einem Konzept von Julia Jacob (Die Zweite Seite gGmbH)
- Veröffentlicht
- 15.12.2020
- Lizenz der Publikation
- CC BY 4.0
- Kontakt
- Christine Essling
Humboldt Forum
Vorüberlegungen
Wie kann man die Idee von Partizipation und Multiperspektivität im Museum konkret umsetzen, um aus passiven Museumsbesucher*innen aktive Teilhaber*innen zu machen? Welche Rolle können digitale Medien dabei spielen, einen Museumsbesuch zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen und gleichzeitig vertieftes Objektwissen zu vermitteln?
Um das herauszufinden, entwickelte die auf Inklusion spezialisierte Filmemacherin Julia Jacob gemeinsam mit dem Projektmanager und Historiker Conrad Mücke partizipative Video-Storytelling-Workshops für die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss im Rahmen des Projekts „Der humboldt’sche Kosmos im digitalen Raum“. Die erste Zielgruppe dieser Workshops sollten Schüler*innen sein, die mit diesem Konzept dort abgeholt werden sollten, wo viele von ihnen sowieso einen großen Teil ihrer Zeit verbringen: am Smartphone. In den Workshops sollten verschiedene Techniken des Digital Storytellings sowie eine Anleitung zur Produktion von User-Generated-Content als ko-kuratorische Beiträge vermittelt und in Form unterschiedlicher Videoformate umgesetzt werden, um eine kreative und individuelle Auseinandersetzung mit Objekten und Themen der zukünftigen Dauerausstellung des Humboldt Forums zu ermöglichen. Dadurch sollte das Museum zu einem ganz neuen Erfahrungs- und Erlebnisraum werden und der Workshop zu einem Ereignis, das die Kinder und Jugendlichen in nachhaltiger Erinnerung behalten.
In einem weiteren Schritt sollten Workshops für Kleingruppen, Senior*innen und Einzelpersonen entwickelt werden, für die ein historisches Objekt der Ausgangspunkt für ihre persönliche Erinnerung sein sollte. Im Rahmen der Workshops sollten die Teilnehmer*innen Kenntnisse erwerben, um mithilfe der Vermittlerin ihre eigene Videostory zu entwickeln und umzusetzen.
Methode
Im Rahmen der Workshops für Kinder und Jugendliche erarbeiten die Teilnehmer*innen zusammen mit den Vermittler*innen ihren eigenen Film und erstellen auch die Dokumentation des Workshops in Form eines Films gemeinsam. Durch die Inszenierung eines Filmdrehs erleben die Teilnehmer*innen so zum einen, wie ein kleines, nach professionellen Maßstäben ausgerichtetes Filmteam strukturiert ist und arbeitet und welche Aufgaben verschiedene Funktionsträger*innen wie Kameraleute oder Regisseur*innen haben.
Zum anderen lernen die Teilnehmer*innen das Museum aus einer anderen Perspektive kennen, indem sie einen „Blick hinter die Kulissen“, zum Beispiel in die Restaurierung oder das Depot, erhalten. So können die Teilnehmer*innen in die soziale Rolle von Filmemacher*innen schlüpfen, die für die Videostory vor Ort am Objekt recherchieren und Interviews mit Expert*innen aus dem Museum wie den Kurator*innen führen können.
Dadurch können sich die Teilnehmer*innen mit filmischen Erzählformaten vertraut machen und dann ihre Erkenntnisse zu den Museumsobjekten in selbst produzierten Videos spielerisch erforschen und festhalten und so ihre eigene Videoproduktion direkt im Museum umsetzen.
Mithilfe von Smartphone und Gimbal-Technologie für einfache Dreharbeiten sowie nativen und Web-Apps entstehen mit Unterstützung der Vermittler*innen während der Workshops unterschiedliche Videoformate wie Interviews, Trickfilme oder Video-Tutorials. Ziel ist die Vermittlung und Vertiefung von Medienkompetenz ebenso wie die Vermittlung von Objektwissen und kultureller Bildung. Historische Kenntnisse und museologische Themen wie Multiperspektivität und Abgabe der Deutungshoheit werden auf kreative Weise vermittelt. Die Workshops fördern die künstlerische Interpretationsfähigkeit und Meinungsbildung der Teilnehmer*innen, die durch die ko-kreative Arbeitsweise ihre eigene Perspektive und moralische Haltung zu einem Objekt finden sollen. Sie erfahren dabei, dass es auch andere Sichtweisen gibt und sollen lernen, diese auszuhalten. Damit fördern die Workshops das Verständnis der Teilnehmer*innen für Demokratie und Multiperspektivität und machen den Museumsbesuch gleichzeitig zu einem unterhaltsamen und informativen Erlebnis aus der Perspektive forschender Filmemacher*innen.
Aufgabe der Vermittler*innen ist es, für die Teilnehmer*innen Zusammenhänge zu schaffen oder diese gemeinsam mit ihnen zu entwickeln. Für die erfolgreiche Umsetzung des Workshops sind die Begeisterung der Vermittler*innen für das Objekt und seine verborgene Geschichte, die Teilnehmer*innen, deren Themen und Storyideen von zentraler Bedeutung.
Bei den Workshops mit Kleingruppen, Einzelbesucher*innen und Senior*innengruppen steht die persönliche Erinnerung im Mittelpunkt, für die ein historisches Objekt der Ausgangspunkt sein soll. Mithilfe des Workshops sollen sie motiviert und in die Lage versetzt werden, ihre Geschichte in Form einer Videostory umzusetzen.
Die Workshops sind damit Beteiligungsangebote, bei denen den Teilnehmer*innenbeiträgen eine hohe Bedeutung zukommt: Entweder können diese direkt veröffentlich werden oder von den Museumsmitarbeiter*innen als Grundlage für ihre Arbeit weiterverwendet werden.
Durchführung
Ab März 2019 wurde ein Konzept für Workshops zu filmischen Storytelling-Angeboten entwickelt und von Mai bis Oktober 2019 in insgesamt vier Workshops mit drei Berliner Schulen und einer Jugendkunstschule umgesetzt und dokumentiert. Die Ergebnisse und Auswertungen flossen jeweils in die Gestaltung der folgenden Workshops ein.
Vom 13. bis 17. Mai 2019 fand der erste Workshop mit insgesamt 14 Schüler*innen der Klassenstufen 4 bis 6 einer Berliner Grundschule im Rahmen einer schulinternen Projektwoche statt. Thema war die Entwicklung und Umsetzung einer fiktiven Videostory, als Objekt diente das Kaiserpanorama der Dauerausstellung Berlin Global der Stiftung Stadtmuseum im Humboldt Forum. Als Gesamtaufgabe des Projektes wurde ein Filmdreh inszeniert, der den Ablauf des Workshops dokumentieren sollte.
Aufgabe der Vermittler*innen war es zunächst, die Schüler*innen einerseits mit verschiedenen filmischen Erzählformaten wie dem Dokumentarfilm, dem Interview und dem Trickfilm vertraut zu machen und ihnen andererseits Grundkenntnisse zur Filmherstellung wie Kamerahandhabung und -perspektiven, Einstellungsgrößen, Licht, Bild- und Filmsprache zu vermitteln.
An den folgenden Tagen hatten die Schüler*innen Gelegenheit, ihr neu erworbenes Wissen unmittelbar anzuwenden: Sie entwickelten und schrieben in Kleingruppen ihre eigene Filmidee zum Objekt Kaiserpanorama und setzten diese als kleines Filmteam in den Rollen Regie, Kamera und Schnitt um. Dafür besuchten die Schüler*innen zweimal das Märkische Museum, wo das Kaiserpanorama zu diesem Zeitpunkt ausgestellt war, als außerschulischen Lern- und Drehort. Sie führten Interviews mit dem Kurator Dr. Daniel Morat und dem Projektmanager Conrad Mücke, in denen sie Fragen zum Objekt sowie zum Beruf des Kurators stellen konnten, und machten Filmaufnahmen vor Ort für ihre eigene Videostory. An den weiteren Tagen gab es noch eine Einführung in die Stop-Motion-Technik sowie in die Erstellung von Tonaufnahmen, die Auswahl von Musik, den Schnitt und die Bildbearbeitung.
Damit erlangten die Teilnehmer*innen Grundkenntnisse der Filmgestaltung, beginnend mit der Planung eines Handyclips über die Auflösung der einzelnen Bilder in Einstellungen und Szenen und den anschließenden Export bis hin zum fertigen Film. Sie erprobten selbst die Formate Interview, dokumentarische Beobachtung mit der Kamera und dem Tonrekorder, Talksendung und Stop-Motion-Film. Das Ergebnis des Workshops sind insgesamt fünf Videostories der Schüler*innen zum Kaiserpanorama, in denen sie ihr Wissen zum Objekt und zum Beruf des Kurators kreativ umsetzten, sowie eine filmische Dokumentation der Projektwoche.
Vom 3. bis 7. Juni 2019 fand ein zweiter Workshop mit fünf Jugendlichen in einer Jugendkunstschule im Rahmen von Werkstatttagen statt. Die Jugendlichen führten mit dem Projektmanager Conrad Mücke Interviews zu zwei Objekten aus der Reihe der sogenannten „Spuren“, Teil der zukünftigen Ausstellungen zur „Geschichte des Ortes“ im Humboldt Forum, nämlich einem Stück der Plane der Schlossattrappe von 1994 und der gläsernen Wahlurne der ersten frei gewählten Volkskammer von 1990. Die Teilnehmer*innen lernten das Genre Erklärfilm sowie die Stop-Motion-Technik kennen und drehten mit der Wahlurne eine Filmsequenz. Im Workshop entwickelten sie ihre eigenen Filmideen zur Geschichte des Berliner Schlosses und setzten diese in drei Videostories um.
Am 7. und 8. Juni 2019 nahmen 19 Schüler*innen einer 10. Klasse an einem dritten Workshop teil. 90% der Teilnehmer*innen hatten Migrationshintergrund, teilweise mit einer jüngeren Fluchtgeschichte aus Syrien, Afghanistan oder Afrika. Als Objekt stand eine Sitzbank der indigenen Gruppe der Tukano zur Verfügung, die Dr. Andrea Scholz vom Ethnologischen Museum aus ihrem Kooperationsprojekt mit Partner*innen in Brasilien zum Workshop mitbrachte. Das Objekt wurde Ausgangspunkt für eine interkulturelle Diskussion zum Thema spirituelle und religiöse Symbole, im Anschluss daran stellten die Schüler*innen in fünf Gruppen jeweils eine Videostory her.
Vom 5. August bis 2. Oktober 2019 wurde ein vierter Workshop über die Inhalte „Medienbildung und Videofilmproduktion“ und „Storytelling zu Nachhaltigkeitsthemen“ in den Lehrplan eines Leistungskurses Kunst integriert. Themen waren das Erlernen von Legetrickfilmtechniken und die Anwendung filmischer Mittel; die Filmübungen und das medienpädagogische Wissen wurden den Schüler*innen in Form von Arbeitsblättern zur Verfügung gestellt.
In diesem Rahmen fand eine Exkursion ins Zentrallabor des Exzellenz-Clusters „Matters of Activity. Image Space Material“ der Humboldt-Universität statt, bei der ein Video-Tutorial über die historische Kunststoff-Flasche „Fairy Liquid“ aus Großbritannien gedreht wurde, die als Testobjekt des Humboldt Labors für die zukünftige Ausstellung im Humboldt Forum vorgesehen ist. Dieses Objekt war auch Ausgangspunkt für die Videostories, die die 14 Schüler*innen in fünf Kleingruppen zum Thema Plastikmüll im Meer entwickelten und umsetzten.
Ab November 2019 lag der Fokus auf Workshops mit drei neuen Zielgruppen:
- Gruppen von etwa zwei bis drei Personen, dies sollte den Museumsbesuch einer Kleingruppe abbilden, zum Beispiel von einem Ehepaar, Freunden in ähnlichem Alter oder einer Familie. Ausgangsobjekt sollte hier ein Stück der Plane der Schlossattrappe von 1994 sein.
- Senior*innengruppen mit fünf bis sieben Teilnehmer*innen; in Workshops von drei Tagen à drei Stunden sollte unter Berücksichtigung der Vorkenntnisse und assoziativ-empathischen Bezugnahmen zum historischen Objekt eine Situation geschaffen werden, in der die Teilnehmer*innen die Motivation finden, ihre eigene Videostory zu produzieren.
- Einzelpersonen, die in Konfrontation mit einem Objekt eine Schlüsselszene daran erinnern und diese live vor der Kamera erzählen sollten.
Zwischen November 2019 und Februar 2020 konnten für alle Workshopformate potenzielle Teilnehmer*innen gewonnen werden. In dem Testformat „kosmosdigital goes home“ erklärte die Vermittlerin zwei Teilnehmer*innen die mobile digitale Produktionstechnik für ihre Videostories zu Hause in deren Wohnzimmer. Damit sollten sie lernen, wie man mit einfachen Mitteln eine eigene Filmgeschichte zu einem musealen Objekt produziert. Sowohl die Vermittlung der Medienkompetenz als auch die Möglichkeit, als ZeitzeugIn Teil der Objektgeschichte werden zu können, stieß auf großen Anklang. Die Objekte sollten dabei zum Ausgangspunkt für biographische Erinnerungen werden und anhand eines Fragebogens sollte bei den Teilnehmer*innen das Gefühl hervorgerufen werden, dass das Objekt etwas mit ihnen zu tun hat. Der persönliche Bezug zum Objekt sollte also eine zentrale Bedeutung haben. Die Teilnehmer*innen sollten im Rahmen des Workshops die Gelegenheit haben, ein Objekt in einem geschützten Raum anzuschauen und sich mit Expert*innen auszutauschen, um schließlich eine eigene Videostory zu produzieren.
Ab März 2020 war ein persönliches Vermittlungsformat aufgrund der Kontaktbeschränkungen wegen der COVID-19-Pandemie nicht mehr möglich: Ein Workshop in einem Senior*innenkieztreff zur Kontaktanbahnung musste abgesagt werden. Eine Einzelperson für das erste Workshopformat hatte mithilfe der Vermittlerin mit der Produktion einer animierten Fotostory begonnen, das Projekt konnte nun aber nicht mehr beendet werden. Während des Lockdowns liefen die Workshops ausschließlich über digitale Vermittlungskanäle weiter, die Objekte wurden über vorproduzierte Videos zu den Teilnehmer*innen nach Hause gebracht. Später erfolgte eine Neuausrichtung der Workshops für Senior*innengruppen auf eine individuellere Durchführung mit maximal drei Teilnehmer*innen, um Mindestabstände einhalten zu können.
Ab März 2020 arbeitete die Vermittlerin mit zwei Teilnehmer*innen, beide 67 Jahre alt, die sich anhand eines Fragments der Plane der Schlossattrappe von 1994 an ihre eigenen Lebensgeschichten erinnerten. Ein Teilnehmer konzentrierte sich auf seine Aktivitäten als Fluchthelfer, weil er sich durch die Schlossplane an die Zeit vor dem Wiederaufbau des Schlosses erinnert fühlte und somit an den Palast der Republik. Die andere Teilnehmerin nahm die Schlossplane als Ausgangspunkt für ihre Recherche in Fotos und Tagebüchern ihrer verstorbenen Mutter aus der Zeit, als das Schloss noch als Ruine stand. Mithilfe des Projektmanagers Conrad Mücke konnte sie in einer Videokonferenz anhand von architektonischen Zeichnungen und historischen Fotos den Ort rekonstruieren, an dem ein Foto entstanden war, auf dem sie um 1953 gemeinsam mit ihrer Mutter auf einem Spaziergang in der Nähe des gesprengten Schlosses zu sehen ist. Die Ergebnisse ihrer Recherche flossen in eine Onepage-Website und einen Videowalk ein, in dem die Teilnehmerin den Aufnahmeort der Fotografie aufsuchte.
Nachnutzung
Zur Nachnutzung stehen ein Leitfaden für Digital-Storytelling-Workshops und zwei Arbeitsblätter zur Verfügung: das „Infoblatt Schiebe-Trickfilmtechnik“ sowie die „Kreativitätsübung ‚Ich bin ein Akteur!‘ zur Vermittlung von Erzählperspektiven“. Die veröffentlichten Videostories sollen außerdem einen Einblick geben, welche Produkte in den Workshops entstehen können.
Damit soll auch gezeigt werden, dass die Umsetzung der Workshops mit relativ wenigen und kostengünstigen Mitteln möglich ist: Sowohl Jugendliche als auch Erwachsene besitzen meist ein eigenes Handy mit einer Kamera, die für eine einfache Filmproduktion geeignet ist, leicht zu bedienende Schnittprogramme gibt es kostenfrei für die gängigen Betriebssysteme und sogar für Smartphones.
Das Konzept der Digital-Storytelling-Workshops ist damit verhältnismäßig unkompliziert umsetzbar und es holt insbesondere die Jugendlichen bei ihren Interessen Smartphone und Film ab. Die Ergebnisse können auf Streaming-Portalen wie YouTube oder Vimeo veröffentlicht werden (sofern die Rechte dafür vorliegen), die hohe Download-Zahlen und damit eine große Reichweite haben und so mit dem User-Generated-Content von der eigenen Peergroup ganz neue Zielgruppen für die Museen erreichen können.
Als Hard- und Software zur Nachnutzung werden videofähige Mobiltelefone oder Videokamera mit möglichst hoher Pixelzahl zum Beispiel 24MP – Bring Your Own Device (BYOD) oder Leave Your Own Device (LYOD)
-Gimbal, Linsensatz, Powerbank, Stativ, Mikrofon und Windschutz, zum Beispiel als Teil eines „Influencer-Koffers“
– Schnittprogramme, zum Beispiel „iMovie” (iOS) und „Windows Movie Maker” oder „Video Maker Movie Editor” (kostenlos) für Android sowie Stop-Motion: „iStopMotion“ oder „FramebyFrame“ benötigt.
Die Anwendung läuft unter anderem in iOS, Windows, Android.
Auswertung
Insgesamt nahmen an dem Projekt über sechzig Personen teil, die mithilfe der Vermittler*innen mehr als 20 Videostories in unterschiedlichen Formaten produzierten, für die Objekte des Humboldt Forums der Ausgangspunkt waren. Es entstanden Interviewfilme als Redakteur*innen und als Ko-Kurator*innen, Erklärfilme in Legefilmtechnik, Stop-Motion-Filme, spielerische Dokumentarfilme, Talksendungen, Video-Tutorials, Zeitzeugeninterviews, biographische Dokumentationen und ein Videowalk. Das Projekt rückte damit die verschiedenen Blickwinkel in den Fokus, aus denen ein Objekt betrachtet und interpretiert werden kann. Die Vermittler*innen beschränkten sich darauf, den Teilnehmer*innen das Handwerk zur Erstellung von dokumentarischen Film- und Videogeschichten und einfache Videoaufnahmetechniken zu zeigen, bevorzugt mit Smartphone und Gimbal.
Auch wenn die Workshops in Form unterhaltsamer Erlebnispädagogik gestaltet werden können, liegt das Potenzial darin, dass sie machtvolle Techniken für die mediale Darstellung der eigenen persönlichen Meinung vermitteln. Durch den Erwerb dieses Wissens trug das Projekt dazu bei, Museumsbesucher*innen in die Lage zu versetzen, auch medial ihren Interessen nachzugehen und diese selbst zu gestalten.
Das Entwickeln von Produktionsfertigkeiten kann somit dem Vertrauensverlust in die Medien entgegenwirken. Denn mit den Kenntnissen aus den Workshops können Laien selbst erleben, wie anspruchsvoll es ist, auf interessante Ideen zu kommen, die nicht nur einen selbst, sondern ein spezifisches oder auch ein breites Publikum, je nach Auswahl der Zielgruppe, anzusprechen.
Im Rahmen des vierten Workshops mit einem Kunst-Leistungskurs entstand eine nachhaltige Unterrichtskooperation. Die Vermittlerin und der Fachlehrer unterrichteten über mehrere Wochen gemeinsam, die Leistungen der Schüler*innen wurden im Anschluss benotet. Der Lehrer gestaltete den Unterricht nach dem Leitfaden der Vermittlerin und berichtete im Nachhinein, dass die institutionelle Kooperation von der Direktorin, den Schüler*innen und Lehrer*innen sehr positiv aufgenommen worden sei.
Viele Workshops der zweiten Fokusgruppe (Kleingruppen, Senior*innen, Einzelbesucher*innen) konnten aufgrund der Pandemie nicht oder nicht wie geplant fortgeführt werden, obwohl sich gerade die älteren Teilnehmer*innen in dieser Zeit darüber gefreut hätten, nicht nur technische Kenntnisse vermittelt zu bekommen und als ZeitzeugIn Teil der Objektgeschichte zu werden, sondern auch eine Ablenkung vom Alltag zu haben.
Einige Formate konnten digital stattfinden, die Objekte wurden den Teilnehmer*innen über Objekt-Videos gezeigt und die Gespräche mit Expert*innen fanden per Videokonferenz statt. Über digitale Kommunikationskanäle oder das Telefon konnte die Vermittlerin in Kontakt mit den Teilnehmer*innen bleiben, mit ihnen über ihre Geschichten kommunizieren und sie so für die Projektarbeit für ein Museum begeistern, ohne gemeinsam vor Ort sein zu müssen. Die konkrete institutionelle Umgebung als physischer Rahmen, das Gebäude und Räumlichkeiten des Museums sind damit keine notwendigen Bedingungen mehr, um ko-kreativ zu arbeiten, und die zunächst aus der Not geborenen digitalen Formate zeigen sogar ganz neue Möglichkeiten für Museen auf.
Gerade jetzt freuten sich ältere Personen, die nicht mehr berufstätig sind, aber aktuell ihren kulturellen Interessen, ehrenamtlichen Tätigkeiten oder Aktivitäten mit Enkelkindern nicht nachkommen können, oder auch Personen beispielsweise aus Tagespflegeeinrichtungen über dieses Angebot. Damit wirkte das Projekt auch gegen Einsamkeit und individuelles Ausgrenzungsempfinden, denn es war ortsunabhängig und gleichzeitig persönlich. In der Zeit von Kontaktbeschränkungen war der richtige Zeitpunkt, um digitale Teilhabeformate für die Zielgruppe Senior*innen auszuprobieren, weil Vermittlungsangebote dieser Art auch zukünftig wirksame Methoden sein können, um digitale Workflows für die Zusammenarbeit mit Besucher*innen zu etablieren und nachhaltig Beziehungen zu pflegen. Auch außerhalb einer Pandemie ist nicht immer allen Menschen der physische Besuch in einem Museum möglich und digitale Angebote sind somit ein Format, um auch diesen Menschen eine Teilhabe an Vermittlungsangeboten zu ermöglichen.
Erfahrungen
Wenn die Ergebnisse der Workshops wie Videos und Fotos vom Museum genutzt und veröffentlicht werden sollen, ist es wichtig, schon vor Beginn der Workshops die rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären:
- ggf. Foto- bzw. Drehgenehmigung für den Ort (falls die Foto- und Dreharbeiten nicht in der eigenen Institution stattfinden)
- ggf. Einwilligungserklärungen der abgebildeten Personen (im Fall von Minderjährigen von deren Erziehungsberechtigten)
- ggf. Einwilligungserklärungen von Urhebern, deren urheberrechtlich geschütztes Werk abgebildet ist (z.B. Kunstwerk)
- Nutzungsrechteübertragung
Viele junge Teilnehmer*innen hatten die Vorstellung, sie könnten in der kurzen Workshopzeit einen fiktiven Film zu ihrem Thema machen. Es gab kaum bis gar keine Vorstellung, wie anspruchsvoll die fiktive Filmherstellung ist, und auch keine Vorstellung zu den einzelnen Gewerken und deren Kostenaufwand. Gleichzeitig war jedoch die Faszination für den fiktionalen Film da und die Motivation sehr hoch, mehr darüber zu erfahren.
Die jüngere Zielgruppe hatte zunächst auch Schwierigkeiten, Geschichten zu den ausgewählten Objekten zu finden, da sie selbst oftmals noch gar nicht geboren waren, als das Objekt gesellschaftlich oder im Ausstellungszusammenhang eine Rolle spielte. Das Objekt Kunststoff-Flasche „Fairy Liquid“ passte im Zuge der weltweiten Klimastreiks durch junge Aktivist*innen sehr gut ins Angebot, die anderen Objekte (gläserne Wahlurne der ersten frei gewählten Volkskammer von 1990, Fragment der Plane der Schlossattrappe von 1994, Kaiserpanorama, Sitzbank der indigenen Gruppe der Tukano) waren nicht unmittelbar für diese Altersgruppe zugänglich, weil der persönliche Bezug fehlte. Auch für solche Objekte, zu denen Besucher*innen kein persönliches Verhältnis (mehr) haben, ermöglicht Digital Storytelling, durch intensive Recherche ein tieferes Verständnis für das Objekt und seinen historischen Kontext herzustellen und so eine Brücke zu schlagen.
Für die Arbeit mit Senior*innen zum Thema Video-Storytelling war insbesondere der vorherige persönliche Kontakt von entscheidender Bedeutung, damit sich die Teilnehmer*innen nicht vom technischen Anspruch überfordert oder abgeschreckt fühlten.
Innerhalb dieses Projekts wurden mehrere Objekte der Berliner bzw. deutschen Geschichte verwendet, für die es noch Zeitzeugen vor Ort gibt. Daher war innerhalb der zweiten Workshop-Phase auch ein intergeneratives Projekt angedacht, in dem die Videostory auf der Geschichte älterer Teilnehmer*innen basieren und die technische Herstellung durch jüngere Besucher*innen erfolgen sollte, die ihre Motivation darin finden sollten, ihren technischen und gestalterischen Interessen nachzugehen. Aufgrund der COVID-19-Pandemie konnte das Projekt leider nicht umgesetzt werden. Für Objekte aus Regionen, zu denen in Deutschland die wenigsten Museumsbesucher*innen einen persönlichen Bezug haben, kann Digital Storytelling durch eine Zusammenarbeit mit Communities aus den Herkunftsregionen eine weitere Perspektive bieten und damit auch für eine ganz neue Art des Ko-Kuratierens. Im Rahmen des Projektes „Der humboldt’sche Kosmos im digitalen Raum“ wurde hierfür ein erster Versuch mit der indigenen Gruppe der Tukano im brasilianischen Amazonasgebiet gemacht. Bei einem Workshop im Rahmen einer langfristigen Kooperation zwischen dem Ethnologischen Museum und den Communities vor Ort wurden traditionelle Sitzbänke angefertigt. Mit Unterstützung eines brasilianischen Filmemachers entstanden zwei Videostories zu Produktionsprozess und Bedeutung der Bank sowie zur indigenen Perspektive auf sogenannte rituelle Objekte.
Nachnutzbare Elemente
- Leitfaden für Digital-Storytelling-Workshops (PDF)
- Infoblatt Schiebe-Trickfilm-Technik (PDF)
- Kreativitätsübung „Ich bin ein Akteur!“zur Vermittlung von Erzählperspektiven (PDF)