HYBRIDE 1:1-STATION. Use-Case „Call a Scientist” im Museum
Überblick
Wir wagen ein Experiment für neue Wege und Einsatzmöglichkeiten hybrider Formate bei Kulturveranstaltungen:
Eine Eins-zu-eins-Station, die Neugierde weckt und zum kritischen Denken anregt. Sie dient als Impulsgeber für die Besucher*innen, sich intensiver mit den in Ausstellungen und Veranstaltungen präsentierten Ideen und Themen auseinanderzusetzen.
Wir möchten ein hybrides Erlebnis für Besucher*innen schaffen, dass einen
- spontanen,
- dialogischen und
- einzigartigen
- Wissensaustausch mit Expert*innen
ermöglicht.
Bibliographische Angaben
- Institution
- Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss
- Teilprojekt
- RealDigital – Hybride Kultur-Veranstaltungen
- Autor*innen
- Christine Essling
- Veröffentlicht
- 16.03.2023
- Lizenz der Publikation
- CC BY-NC-SA 4.0
- Kontakt
- Julia Kuhnert
Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss
Digitales@humboldtforum.org
Entwicklung
Das Designkonzept der Station orientiert sich weitestgehend an Prinzipien des „Modularen Designs“. Das bedeutet, dass der Großteil der verbauten Elemente in ihrer Form unbeschädigt bleiben und mit dem Auf- und Abbau kein unnötiger Abfall entsteht. Beispielhaft hierfür sind unter anderem: Wiederlösbare Kabelbinder, die Befestigung der Vorhänge mit Magneten, Vierkantrohre mit universellen Verbindern oder die Nutzung von Terrassenplatten als Beschwerung.
Inhaltliches Konzept
Unser Use Case: „Call a Scientist“ in Kooperation mit dem Humboldt Labor.
Mit dem Format „Call a Scientist“ möchten wir spannende Einblicke in verschiedene Arbeitsfelder und -umgebungen von Wissenschaftler*innen geben, die sonst kaum zugänglich oder erreichbar sind. So können Besucher*innen im Museum an einer hybriden Station persönlich mit live zugeschalteten Wissenschaftler*innen sprechen und ihre eigenen Fragen stellen.
Ob Geoforschung in der Antarktis, Meeresforschung auf Sylt, nachhaltige Stadtforschung in Brasilien oder paläontologische Untersuchungen in Südafrika – mit „Call a Scientist“ wird Forschung zum Live-Erlebnis. Natürlich muss sich nicht alles um Wissenschaft und Forschung drehen. Z.B. im Kunst- und Kulturbereich gibt es vielfältige weitere Einsatzmöglichkeiten und Nutzungsszenarien. Siehe dazu auch Tool #9 in unserem Toolkit.
Technisches Konzept
Bildschirme in die Welt: Videokonferenzen werden zunehmend Teil unseres Alltags. Doch selten treffen wir auf Unbekannte, noch dazu vom anderen Ende der Welt.
Die Hybridstation bricht mit zwei gelernten Medienpraktiken: Der Monitor im Museum streamt plötzlich live (statt nur Inhalte abzuspielen) und der Telefonhörer wird Teil einer Videokonferenz (statt nur eine Tonspur abzuspielen).
Der Telefonhörer in die Videokonferenz. Verbunden mit einem Mikrocomputer und einem Schalter, löst das Abnehmen des violetten Telefonhörers einen Impuls aus. Die Slideshow auf dem Monitor wechselt zu einem Countdown: 3, 2, 1 … der Video Call startet.
Was passiert genau? Ein Skript kontrolliert, ob der Monitor eine Slideshow anzeigt oder zum Browser wechselt, in dem die Videokonferenz gestartet wurde. Wie weiß das Skript, was angezeigt werden soll? Ein kleiner Schalter an der Hörer-Halterung ist mit einem Arduino verbunden, der den Impuls an das Skript weitergibt (Hörer an/aus).
Designprozess
Mit nutzer*innenzentrierten Methoden gelangten wir iterativ zu einer hybriden 1:1-Erfahrung, die allen Designkriterien gerecht wird.
Fünf Zutaten: Diese Designkriterien begleiteten den Prozess von Beginn an:
Neugierig-machend: Die Station soll sich designtechnisch in ihrer Gestaltung als spannend und visuell reizvoll präsentieren und so als eigenes Element in Ausstellungen funktionieren.
Innovativ: Das bedeutet für uns, neue Lösungen mit Mehrwert für Nutzer*innen zu schaffen, welche sich als Gesamterlebnis einfügen und Möglichkeiten schaffen, wo zuvor keine waren.
Einladend: Die hybride Station soll Besucher*innen dazu einladen, mit Expert*innen zu sprechen und proaktiv in die Handlung einzutauchen und diese eigenständig begehen zu können.
Nachnutzbar: Das bedeutet, andere Institutionen können die 1:1-Station selbst nachbauen. Dazu haben sie einen geringen bis mittleren Kostenaufwand und keine Fragen sind offen.
Nachhaltig: Wir wollen kein One-Hit-Wonder, sondern eine Lösung, die sowohl materiell nachhaltig ist, als auch in weiteren Kontexten funktionieren kann und eigenständig auf- und abbaubar ist.
Nachnutzung und Weiterentwicklung
Nachnutzbar; das bedeutet für uns, dass andere Institutionen dieses Konzept selbst nachbauen können. Dazu haben sie einen geringen bis mittleren Kostenaufwand. Ein automatisches Einwählen, durch den*die Expert*in auf die Station soll möglich sein und der Steuerungs-/ Einrichtungs-/ Testaufwand vor Ort soll reduziert werden.
Die Quelldateien mitsamt technischer Dokumentation steht anderen Kultureinrichtungen zum Download und zur individuellen Anpassung auf GitHub zur Verfügung. Weitere Elemente der Nachnutzung finden Sie im Anhang dieser Publikation.
Von der Idee zum Produkt
Die Hybridstation wurde unter Verwendung von verschiedenen Methoden konzeptionell, technisch und inhaltlich entwickelt. Der Entwicklungsprozess umfasste den Proof-of-Concept sowie die Prototypenentwicklung, die Durchführung einer Interaktionsanalyse und von Tiefeninterviews mit Expert*innen und Besucher*innen sowie die Ausgabe von Umfragebögen.
Weitere Einblicke in den Entwicklungsprozess, einschließlich eines Testverfahrens mit einer Liveschalte in die Arktis, können unter folgendem Link gefunden werden: https://www.museum4punkt0.de/realdigital-hybrides-testing-unter-extrembedingungen/
Nach der Premiere von „Call a Scientist“ am 25. Februar 2023 in der Wissenschaftsausstellung „Nach der Natur“ im Humboldt Labor haben wir eine Online-Umfrage durchgeführt, um ein Stimmungsbild der Teilnehmer*innen zu erfassen. Unsere Auswertung zeigte, dass die meisten Teilnehmer*innen neugierig und begeistert waren. Die Nutzung der Station wurde als gewinnbringend bewertet. Anstatt lediglich Informationen zu erhalten oder einem vorgegebenen Skript zu folgen, wurden sie ermutigt, eigene Fragen zu stellen und das Gespräch auf ihre eigene Weise zu gestalten.
Hybrides Kuratieren – Drei Tipps für Nachnutzer*innen
Brücken Bauen
Besondere Orte in Szene setzen – und Menschen dorthin mitnehmen ist wesentlich für das Gelingen des Projektes. Als Hintergrund eignen sich Orte und Räume, die Besucher*innen in eine für sie sonst nicht leicht zugängliche Umgebung „mitnehmen“. Je nach Kontext können längerfristige Kooperationen mit Institutionen hilfreich sein, um sich schrittweise mit dem Format auseinanderzusetzen. Auch bei der Veranstaltung können Hilfestellungen gegeben werden, zum Beispiel durch eine Anmoderation an der Station.
Test & Briefing
Ein Testlauf ist sehr wertvoll. Wir haben folgenden Aspekte gesammelt, die in einem Briefing-Dokument für Gesprächspartner*innen nicht fehlen sollten:
- Hintergrund / Einblicke des Projekts mitgeben.
- Timings abstimmen & festlegen.
- Den Modus Operandi zum Zeitpunkt des Einsatzes der Expert*innen kommunizieren.
- Überthema, mögliche Fragen und Dialogpunkte besprechen.
- Tipps zur Gesprächsführung bereithalten, Wie beende ich höflich ein Gespräch?
Timing & Ablauf
Wer tut was zu welcher Zeit? Eine gute Planung und ein fließender zeitlicher Ablauf sind ein Grund-Baustein für eine positive Gesamterfahrung. Dazu gehört:
- Expert*innen gut eintakten, Abläufe genau planen und mit allen Beteiligten abstimmen.
- Frühzeitiger Versand des Videokonferenz-Links und vorab Test.
- „Always on“-Modus der Expert*innen in einem bestimmten Zeitrahmen: Für den Dauer des Betriebs der Station sollten die Expert*innen stets verfügbar sein.