Landesmuseen Schleswig-Holstein WebAR – browserbasierter Medienguide mit Augmented Reality Inhalten
Überblick
Ziel des Teilprojekts ist die Entwicklung eines Prototyps für ein digitales Vermittlungsformat, um an drei Standorten der Landesmuseen Schleswig-Holstein verborgene Geschichte(n) und Ereignisse zu visualisieren. Ziel ist es, durch multimediales, digitales Storytelling mit Augmented Reality (AR) im Barockgarten, dem Freilichtmuseum Molfsee und dem Jüdischen Museum Rendsburg ein ergänzendes Vermittlungsangebot zu schaffen und den musealen Raum, um eine digitale Erzählebene zu erweitern. Das primäre Vermittlungsziel der Web-basierten AR-Anwendung ist, die verborgene Geschichte(n) und Zeitebenen hinter den historischen Orten und Landschaften durch digitale 3D-Modelle, Bilder und Animationen für Besucher*innen erlebbar zu machen. Die Anwendung wird über QR-Codes in den Ausstellungen ausgelöst, sodass die Inhalte über den Internetbrowser auf dem eigenen Smartphone angesehen werden können. Das Anliegen des Projektes ist, analoge und digitale Vermittlung zusammenzudenken und ein Tool zu entwickeln, das die nicht sichtbaren Ausstellungsinhalte multimedial vor Ort zur Verfügung stellt und sich als digitaler Baustein in das Museumserlebnis fügt.
Bibliographische Angaben
- Institution
- Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf
- Teilprojekt
- Digitales Storytelling: historische Räume und visualisierte Geschichte(n)
- Autor*innen
- Nadine Schrecken
- Veröffentlicht
- 31.07.2023
- Lizenz der Publikation
- CC BY 4.0
- Kontakt
- Jorge Scholz
Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf
(04621) 813 222
service@landesmuseen.sh
Entwicklung
Die mehrstimmige Darstellung und Vermittlung der Geschichte(n) von historischen Orten und Objekten sowie deren Bezug zur Gegenwart und Lebenswirklichkeit von Besuchenden wird in unseren Museen, wie andernorts auch, ressourcenabhängig und unterschiedlich umgesetzt. Als historische Orte, Baudenkmäler und kulturelle Bildungsräume können sie, aufgrund ihrer jeweils ganz individuellen Raum- und Architekturgestaltung und einer meist wechselvollen Geschichte, weit über Sammlungen und Ausstellungen hinaus für unsere/ihre Besucher*innen gesellschaftliche, politische und soziokulturelle Themen kontextualisieren.
Was Ziel jeglicher Vermittlungsarbeit ist, sind die Inhalte erweiternde, unterhaltsame und erlebnisorientierte, aber auch kritisch-reflektierende Erzählungen – bestenfalls ein raumgestalterisches Storytelling, das neue, andere Blicke auf die Vergangenheit ermöglicht.
Bisherige Besucherforschung und -befragungen an unterschiedlichen Standorten der Landesmuseen SH beziehen sich dabei immer wieder auf einen Fragenkomplex: Wie haben sich die Orte selbst verändert, wie haben frühere Menschen hier gelebt, wie wirkt die „gefühlte Historizität“ auf heutige Betrachter*innen? Das bedeutet für Museen auch: Wie lässt sich das Potenzial ausschöpfen, physische um digitale Räume zu erweitern sowie das Analoge mit dem Digitalen zu verbinden?
Unsere Sammlungen und ihre Vermittlung können diese Fragen größtenteils nur ausschnittsweise durch starke Ausstellungsszenografien und/oder eine wirksame personale Vermittlung beantworten. Die historische Bausubstanz lässt jedoch häufig keine gestalterischen Eingriffe zu. Da die architektonische, räumliche und historische Heterogenität der Häuser der Landesmuseen SH ohne Zweifel diverse, noch unerschlossene Möglichkeiten, die Geschichte(n) der Orte erfahrbar zu machen, bietet, ist ein technisch übertragbarer, universeller digitaler Ansatz plausibel. Im hier geschilderten Teilprojekt ist dies ein digitales Vermittlungstool mit Augmented Reality (AR), welches perspektivisch auf die Museumslandschaft Schleswig-Holsteins übertragen werden kann. Bisher erschöpft sich AR im musealen Kontext zumeist auf digitale Sammlungszugänge, interaktive Ausstellungen und vereinzelte virtuelle 3D-Modelle von Highlight-Objekten. Raumgestalterische Darstellungen in AR oder solche von historischen Epochen und Personen sind im kulturell-musealen Kontext Ausnahme. Hier setzt das vorliegende Teilprojekt an.
Inhaltliches Konzept
Die Zielstellung des Teilprojekts ist es, an drei Standorten der Landesmuseen SH prototypisch eine AR-Anwendung zu planen, umzusetzen und zu erproben, die als universeller Baukasten für digitales, raumgestalterisches Storytelling fungieren kann. Die Standorte sind: Barockgarten (Museumsinsel Schloss Gottorf), Freilichtmuseum Molfsee und Jüdisches Museum Rendsburg. Aufgrund der inhaltlichen Vielseitigkeit der Museen innerhalb der Stiftung, war das Ziel die Entwicklung eines digitalen Vermittlungstools, das sowohl universell einsetzbar sein soll und mit diversen medialen Inhalten bespielt werden kann. Dieser modulare Prototyp soll durch die Variabilität der Darstellung von multimedialen Inhalten, so perspektivisch, für den Einsatz an allen Standorten der Landesmuseen SH und später der gesamten Museums-, Kultur- und Erinnerungslandschaft in Schleswig-Holstein zur Verfügung stehen.
Hierfür wurde im Projektjahr 2021 aus jedem der drei sehr unterschiedlichen Museumsstandorte der Stiftung jeweils fünf aussagekräftige inhaltliche Schwerpunkte für die digitale Vermittlung ausgewählt. Durch den Einsatz von Augmented Reality sollten die historischen Orte um eine digitale, erzählende Erlebnisdimension ergänzt werden. Ein Ziel war, durch die Visualisierung und Kontextualisierung der authentischen Geschichte(n) und Besonderheiten der musealen Orte mittels AR, diese um eine digitale Erzählebene zu ergänzen und so einen niedrigschwelligen Zugang zu den Inhalten zu ermöglichen. Im Sinne der Besucherorientierung soll die verborgene Historizität gegenwärtiger musealer Räume sichtbar gemacht werden.
Technisches Konzept
Das Teilprojekt verfolgt das Ziel, eine generative, modulare/universelle und nach nutzbare AR-Anwendung umzusetzen. Die browserbasierte Anwendung sieht funktionell vor, durch den Einsatz von AR-Szenen die historischen Orte und ihre „verborgenen“ Geschichte(n) und Besonderheiten um eine digitale Erzählebene zu erweitern.
Als technisch-methodischer Lösungsansatz ist ein Content-Management-Systems (CMS) zu sehen, welches wie ein Werkzeugkasten Bausteine für Medien jeglicher Art zur Verfügung stellt, die wiederum individuell und standortabhängig von den Vermittlungszielen ganz unterschiedlichen Inhaltes sein können. Die Web-App-Technik basiert auf einem CMS mit AR-Dateien, die über eine Browser-Schnittstelle auf mobilen Endgeräten ausgegeben werden. Das Teilprojekt hat das Ziel verfolgt, eine modulare und nach nutzbare AR-Anwendung zu entwickeln und umzusetzen. Als technischer Lösungsansatz ist ein CMS gewählt worden, das Bausteine für eine browserbasierte Anwendung mit diversen Medieninhalten zur Verfügung stellt, die wiederum individuell, standortabhängig sowie inhaltsspezifisch konfiguriert werden können. Über eine Medienbibliothek, die Audio-, Video- und AR-Dateitypen beinhaltet, können diese Inhalte in das CMS geladen und als Web-App über eine Browser-Schnittstelle auf mobilen Endgeräten zur Verfügung gestellt werden. Das Web-Interface entspricht der Benutzeroberfläche einer App. Über die Einstellungs-Funktion kann die Sprache (Dänisch, Englisch, Deutsche Gebärdensprache, leichte Sprache) gewählt werden. Audiodeskriptionen, Kontraste, sowie die Textgröße können ebenfalls eingestellt werden. Über die Web-AR-Funktion hinaus können stationsspezifische Inhalte browserbasiert mit Text, Bild, 3D-Modellen und Zeichnungen abgebildet werden. Bereitgestellt werden können u. a. Fotografien, 3D-Modelle, Animationen, Karten oder Rekonstruktionszeichnungen. Die einzelnen Stationen beinhalten neben AR-Dateiformaten (.GLB oder .GLTF-Datei sowie .USDZ oder .Reality-Datei) einen Audioplayer, verschiedene Textbausteine, die Möglichkeit Audiodeskriptionen sowie DGS-Videos und multimedialen Content unterzubringen. Etwaige Vertiefungsebenen können im CMS über den Content Manager durch Textbausteine erweitert werden. Das Nutzungskonzept sieht vor, dass die mobilen Endgeräte der Besucher*innen primär für die Anwendung verwendet werden (Bring-Your-Own-Device). Über ein markerbasiertes Tracking mit QR-Codes wird die Anwendung durch das Scannen der Codes auf dem Smartphone der Nutzer*innen gestartet. Perspektivisch sollen die Inhalte der Anwendung über das CMS kontinuierlich ausgebaut werden, um das Angebot für die Nutzer*innen zu erweitern. Alle Textinhalte sind in englischer, dänischer, leichter Sprache sowie in Deutscher Gebärdensprache (DGS) verfügbar.
Implementierung und Inbetriebnahme
Die technische Implementierung der Anwendung erfolgte durch den mit der Entwicklung beauftragten Dienstleister NEEEU Spaces GmbH. Die Stiftung Landesmuseen SH hostet die WebAR Anwendung auf eigenen Servern. Ein Serverzugang wurde durch die hauseigene IT-Abteilung der Landesmuseen für den Zweck der technischen Implementierung und Wartung eingerichtet. Die Plattform besteht aus zwei Webanwendungen: einer Frontend-SPA, die mit Vue 3 und Vite entwickelt wurde, und einer CMS-Anwendung, die auf Strapi basiert. Das CMS verwendet eine PostgreSQL-Datenbank. Die Anwendungen laufen in Docker-Containern. Reverse-Proxying, HTTPS/TLS-Produktionszertifizierung und Lastausgleich werden mit Traefik durchgeführt. Die Frontend-SPA wird von einem Nginx-Webserver bedient.
Die prototypische funktionale AR-Anwendung beinhaltet die angestrebte Web-App-Technik. Die Anwendung funktioniert als Webanwendung, die auf dem Server der Stiftung Landesmuseen SH gehostet und über das Internet über eine Browser-Schnittstelle (Chrome, Safari, Firefox) auf mobilen Endgeräten (iOS sowie Android) bereitgestellt wird. Das modulare Content-Managementsystem (Open-Source-Software Strapi) beinhaltet ein Content Manager-Modul, über das alle AR-Stationen mit multimedialen Inhalten wie Text, Bildern, Video, Audio sowie AR-Dateien (GLB-, .GLTF-, .USDZ oder .Reality-Dateien) befüllt werden können. Darüber hinaus können Start- sowie Serviceseiten und Unterseiten der Anwendung mit Inhalten befüllt und eigenständig verwaltet werden. Über das Modul Media Library werden multimediale Inhalte (Audio, Video, Augmented Reality Dateien, Bildformate, Text) in das CMS geladen und verwaltet. Alle Stationen der Anwendung beinhalten orts- und inhaltsspezifische Animationen, die als Augmented Reality mit Sounddesign über den Browser ausgespielt werden. Über den Content-Type Builder des Strapi CMS kann die Daten-Architektur der Anwendung konfiguriert werden, um die gewünschten Funktionen und Inhalte auszugeben.
Nachnutzung und Weiterentwicklung
Neben den Source Codes, die über GitHub bereitgestellt werden, bestehen die Ergebnisse, die im Teilprojekt entstanden und bisher sowohl bereits bei den Landesmuseen SH zum Einsatz gekommen sind als auch bei diversen Kooperationspartner*innen, aus den Erfahrungsberichte zum Entwicklungsprozess und der Nutzung von WebAR in der digitalen Vermittlung durch die Mitarbeiter*innen des Projektes.
Da es sich bei der Landesmuseen AR um eine Webanwendung handelt (WebApp) werden zu Implementierung keine Hardwarekomponenten wie Tablets oder mediale Installationen benötigt. Das Nutzungskonzept sieht vor, dass die mobilen Endgeräte der Besucher*innen primär für die Anwendung verwendet werden (Bring-Your-Own-Device). Für die Implementierung werden folgende Voraussetzungen benötigt: Linux-Server. Auf dem Server muss installiert werden: Node.js, Nginx, Postgres, PM2
Für den Reverse-Proxy/Nginx müssten sowohl die Frontend- als auch die Backend-Webanwendung mit HTTPS bedient werden.
Bereitstellung der Nachnutzung
Die Quelldateien mitsamt technischer Dokumentation steht anderen Kultureinrichtungen zum Download und zur individuellen Anpassung auf GitHub zur Verfügung.
Besucherforschung und Usability Tests
Während der Anwendungsentwicklung wurden sowohl von den Entwickler*innen als auch vom Team der Landesmuseen SH wiederholt Usability Tests durchgeführt, um die User Flow während der Nutzungsdauer zu optimieren. Ursprünglich sollte die Anwendung zuerst mit einer Medienguide-Seite starten, auf der ein AR-Modell eingebettet ist. Nach Tests mit diversen Nutzer*innen wurde entschieden den User Flow umzustellen und die AR-Modelle zuerst auszuspielen und über eine Push-Benachrichtigung während der Nutzung der AR-Funktion auf den nachgestellten Medienguide zu verweisen.
Darüber hinaus wurde versucht, die Verankerung der AR-Modelle über GeoAnchors im Rahmen der WebApp Nutzung zu gewährleisten, welches sich letztendlich durch die Tests als nicht kompatibel mit den Projektzielen erwiesen hat. Die AR-Modelle, die in der Anwendung über den Browser ausgespielt werden, konnten nicht so exakt lokalisiert werden, wie die Vermittlungsziele für eine historisch korrekte Verortung es erfordert haben. Dementsprechend wurde entschieden, auf die Verankerung zu verzichten.
Die interne wie auch externe Evaluation der Ergebnisse ist ab der zweiten Jahreshälfte 2023 geplant. Für die interne Evaluation sollen sowohl Arbeitsweisen, Projektkommunikation und gewonnene Erkenntnisse zu digitalen Vermittlungsformaten, Technologien und inhaltlichen Vermittlungsstrategien im Fokus stehen. Für die externe Evaluation ist geplant, über Besucher*innenbefragungen ein Feedback zur Handhabung und den Inhalten der Anwendung von den Endnutzer*innen einzufangen. Perspektivisch soll die digitale Besucher*innenbefragung durch die Nutzung des Kulturevaluationstool (k:evatool) der Klassik Stiftung Weimar erfolgen, das bei den Landesmuseen SH implementiert werden soll. Das k:evatool ist ein digitales Tool, um (Online-)Angebote von Kulturinstitutionen zu evaluieren. Darüber hinaus sollen Nutzerstatistiken über das CMS abrufbar sein. Die Erkenntnisse über den Einsatz der WebAR an verschiedenen Häusern der Landesmuseen sollen perspektivisch die strategische Ausrichtung der digitalen Vermittlungsstrategie der Bildung und Vermittlung erweitern.
Evaluierung
Für detaillierte Informationen zur Nutzer*innen-Evaluation, wenden Sie sich bitte nach Ende des Evaluationszeitraumes (Begin 2024) an die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, Bildung und Vermittlung über service@landesmuseen.sh.
Erfahrungen
Im Rahmen der Anwendungsentwicklung konnten bereits bestehende digitale Kenntnisse vertieft und Erfahrungswerte für weiterführende Digitalisierungsmaßnahmen gesammelt werden. Aus dem Entwicklungsprozess für das digitale Vermittlungstool der Landesmuseen lässt sich vor allem ableiten, dass die Grundlage für einen erfolgreichen Arbeitsprozess die abteilungsübergreifende Kommunikation innerhalb der eigenen Organisation ist. Wichtig bei der Reflexion des Arbeitsprozesses war die Betrachtung von einzelnen Arbeitspaketen, Rollen und Verantwortlichkeiten sowie der Projektkommunikation. Durch die Arbeit an dem Teilprojekt hat das Projektteam angefangen, mit neuen Tools wie Miro und Concetboard zu arbeiten und dadurch gelernt, digitale Arbeitstools zur Projektvisualisierung einzusetzen. Generell wurde die Nutzung von digitalen Tools und Kommunikationstechniken durch die Mitarbeit im Verbund gestärkt und die digitale Kompetenz der einzelnen Mitarbeiter*innen vertieft. Darüber hinaus konnten die Projektmitglieder ihr Wissen zu aktuellen Technologien und Digitalisierungsstrategien durch die aktive Mitarbeit im Netzwerk stetig vertiefen. Durch die Vielzahl der im Verbund vertretenen Ansätze, Besucher*innen Zugänge zu diversen musealen Inhalten zu ermöglichen, wurde ein Spektrum der Möglichkeiten abgebildet, digitale Vermittlung neu zu denken. Dabei spielen die Erfahrungswerte der langjährigen Verbundmitglieder eine wichtige Rolle, da bereits zu Beginn der zweiten Förderphase wichtige Erkenntnisse und Erfahrungen an neue Teilprojekte weitergegeben werden konnten.
Eine Herausforderung für die Zukunft wird die Zusammenführung einzelner Projektergebnisse innerhalb der eigenen Organisation. Das Ziel ist es, digitale Anwendungen im Rahmen einer ganzheitlichen Strategie umzusetzen, digitale Angebote vernetzt zu entwickeln und ein bereits bestehendes Konglomerat an verschiedenen digitalen Angeboten zusammenzuführen. Der strategische Fokus liegt darauf, nicht nur einzelne Anwendungen umzusetzen, sondern diese in eine nachhaltige, digitale Struktur einzubetten, um langfristig Ressourcen wie Finanzierungen, personelle Betreuung und Pflege gewinnbringend einzusetzen.