Smalltalk mit Robotern! | Das KI-basierte Dialogsystem „ULI“

Drei Personen schauen auf die Station des Dialogsystem ULI, was so viel bedeutet wie User Language Interface.
Das KI-basierte Dialogsystem ULI (User Language Interface) wurde im März und Mai 2022 gemeinsam mit dem Projektteam „SKILLED“ der TH Köln im OZEANEUM in Stralsund getestet, Foto: Anke Neumeister/Deutsches Meeresmuseum, CC BY-SA 4.0

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Verwandte Ergebnisse

Rubrik
Zeitraum
von 10. März 2022
bis 19. Mai 2022
Methode
Nachnutzung

Das Projektteam des Deutschen Meeresmuseums wollte das Potenzial KI-basierter Dialogsysteme im Service und in der musealen Wissensvermittlung einschätzen. Können besuchsstarke Kultureinrichtungen sowohl Testfeld in der Entwicklung als auch Einsatzort für ein KI-basiertes Dialogsystem sein? Wie erleben Museumsgäste die Interaktion mit KI-Systemen? Im Rahmen einer Kooperation mit dem Projektteam „SKILLED“ der TH Köln wurde ULI (User Language Interface), ein Furhat-Roboterkopf mit einem KI-Backend-System, im März und Mai 2022 im OZEANEUM in Stralsund getestet.

Bibliographische Angaben

Institution
Stiftung Deutsches Meeresmuseum
Teilprojekt
(Digital) MEER erleben
Autor*innen
Anke Neumeister, Karsten Goletz
Veröffentlicht
28.08.2023
Lizenz der Publikation
CC BY-SA 4.0
Kontakt
Anke Neumeister
Deutsches Meeresmuseum
online@meeresmuseum.de

Unser Weg zu ULI

Sinnvolle Dialoge zu führen ist eine Herausforderung – schon zwischen Menschen. Ist eine Maschine beteiligt, macht das nichts leichter. Das Gespräch mit Robotern war zwar nicht unsere Hauptaufgabe im Teilprojekt „(Digital) MEER erleben“, aber eine sehr schöne und spannende. Die Idee dazu entstand, als wir versucht haben in einer pandemiegeprägten Zeit den digitalen Bedarf des Deutschen Meeresmuseums zu ermitteln.

Pandemiegeprägt heißt konkret, dass, wenn der Besuch im OZEANEUM möglich war, die Menschen lange Schlangen auf der Hafeninsel bildeten und unsere Kolleginnen und Kollegen aus der Gästebetreuung für jeden Gast, jede Gruppe erst einmal die aktuellen Corona-Regelungen im Museum erklären mussten. Wenn Servicekräfte also roboterartig Informationen wiederholen müssen, warum dann nicht für solche sogenannten FAQs Roboter einsetzen? Zumal sie im Servicebereich schon hin und wieder im Einsatz zu sehen sind, zum Beispiel bei der Gästebegrüßung im Futurium.

Mutig sein und über den Tellerrand schauen

Wir hatten also einen Bedarf ermittelt, hatten aber kein Geld, um einen Roboter zu kaufen und eigentlich auch keine Zeit, um ein KI-Sprachassistenzsystem zu trainieren. Und was tut man, wenn man etwas will, dass man sich nicht leisten kann?

Man fragt, ob es einem jemand vielleicht einfach so gibt und nennt das dann Kooperation.

Wir haben uns also nach möglichen Kooperationspartner*innen umgeschaut und sind bei den Recherchen auf SEMMI, ein KI-basiertes Sprachassistenzsystem der Deutschen Bahn, gestoßen. Die Deutsche Bahn hatte die Entwicklung von SEMMI begonnen, um den Service an Bahnhöfen zu verbessern und woran erinnert das OZEANEUM in den Sommermonaten?

Zu sehen ist das Meeresmuseum Stralsund an einem verregnetem Tag mit langer Warte-Schlange.
Hohe Besuchszahlen an bestimmten Tagen, z.B. Schlechtwettertage im Sommer, können zu Einschränkungen des Besuchserlebnisses führen, Foto: Anke Neumeister/Deutsches Meeresmuseum, CC BY-SA 4.0

Die Verbindung lag für uns also nahe und zum Glück haben es die Projektverantwortlichen bei der IT-Tochter der Deutschen Bahn, der DB Systel, genauso gesehen. Auf unseren „Bettelbrief“ hin kam es sehr schnell zu Kontakt, Austausch und einer konkreten Idee.

Nämlich das Deutsche Meeresmuseum in das Forschungsprojekt SKILLED an der TH Köln einzubinden, an dem auch die DB Systel beteiligt ist.

Gemeinsam MEER Daten

Die Kolleg*innen in Köln beschäftigen sich kurz gesagt damit, die Mensch-Maschine-Interaktion für Menschen angenehmer und auch zielführender zu machen, indem Aspekte, die unsere Kommunikation selbstverständlich prägen einbezogen werden, also z. B. nonverbale Reaktionen über Mimik, Gestik und Körperhaltungen oder der Ausdruck von Emotionen über die Stimme. Dafür braucht es viele Daten, umfangreiche Tests und ständige Nachjustierungen. Und dazu konnten wir etwas beitragen. Zumindest Daten in Gestalt gesammelter Gästefragen – zu Beginn gab es als Basis-Knowledge über 1.000 Trainingsbeispiele – und die Testumgebung eines besuchsstarken Museums.

Zu sehen ist eine Grafik, die die Auswertung der Fallstudie darstellt.
Feldstudie vom 10. bis 30. März 2022 im OZEANEUM: Grafik zur Veranschaulichung der Ergebnisse von Systemprotokollanalysen. Mit Kategorien, Codes und zitierten Äußerungen der Nutzer*innen als Beispiele, n = 3.268 gültige Äußerungen, Grafik: Ana Müller, Cologne Cobots Lab, TH Köln, CC BY 4.0

Der, die, das. Wer? Wie? Was?

Wir hatten also ULI – denn ein SEMMI sollte es bei uns nicht sein. Wir haben einen Namen gesucht, der sich vom System der Deutschen Bahn unterscheidet und geschlechtsneutral ist. Obwohl gerade die Geschlechtszuordnung oder besser gesagt, das Bedürfnis danach, durchaus ein spannendes Ergebnis der Beobachtungen war. Sehr interessant zu beobachten waren auch die gelegentlichen Wutanfälle gegenüber der armen ULI oder dem armen ULI. Aggressionen gegenüber Robotern ist zwar ein höchstspannendes Forschungsfeld, soll jedoch unser Thema hier nicht sein.

Vielleicht kann man zusammenfassend festhalten, dass ULI von uns ein gutes Praktikumszeugnis bekommt. Wir würden sie oder ihn auch fest anstellen. Allerdings nicht als Servicekraft. Was nichts mit mangelndem Engagement zu tun hat – im Gegenteil. ULI versuchte manchmal verzweifelt, in den Dialog mit skeptisch blickenden Gästen zu kommen und machte Vorschläge für Fragen. Was dann tatsächlich gefragt wurde, entsprach nicht unseren Erwartungen.

Aber das ist völlig in Ordnung. ULI hatte andere Qualitäten angenommen. Statt die Servicefrage nach der nächsten Toilette zu beantworten, sprach ULI vor allem über das OZEANEUM und die dort lebenden Tiere. Damit sehen wir einen oder eine ULI perspektivisch eher als Unterstützung in der Inhaltsvermittlung.

Eine Person schaut auf die Station des Dialogsystem ULI,
Am Deutschen Meeresmuseum konnten Gäste am Standort OZEANEUM Forschung live erleben und mit einem KI-basierten Sprachassistenzsystem interagieren, Foto: Deutsches Meeresmuseum/Anke Neumeister, CC BY-SA 4.0

Es könnte bei alldem natürlich der Vorwurf aufkommen, eine Maschine allein zur Personalersparnis einzusetzen. Aber das kann sofort entkräftet werden. Nicht alle Kolleg*innen in unserem Gästeservice mögen es z. B. vor Publikum zu sprechen, etwa bei einer kommentierten Fütterung im Aquarium. ULI dort einzusetzen, war eine Idee, die von unseren Mitarbeitenden in der Gästebetreuung selbst kam.

Und damit sind wir im Grunde auch schon bei unseren Schlussfolgerungen angelangt und haben noch kein Wort über die Forschung gesagt, um die es ja in der Kooperation mit dem BMBF-geförderten Projekt SKILLED des Cologne Cobots Lab auch ging.

Weiterführende Informationen zur Datenerhebung, Auswertung und tiefergehenden Technologieausführungen werden von Seiten der Kolleg*innen aus Köln fortlaufend publiziert und das SKILLED-Team freut sich immer über eine Kontaktaufnahme bei tiefergehendem Interesse bzw. Fragen: Skilled – Sozioempathische KI-basierte Dialoge – TH Köln (th-koeln.de)

Learnings

Die Feldversuche im OZEANEUM ergaben auf alle Fälle wichtige erste Erkenntnisse für die weiterführende Forschung am Cologne Cobots Lab. Die Fähigkeit des Systems, Smalltalk zu führen, ist ein entscheidender Aspekt bei der Umsetzung von Unterhaltung zwischen Mensch und Maschine auf Augenhöhe. Für unser Projektteam hat sich gezeigt, dass Museumsgäste das System nicht nur als Wissensquelle oder Dienstleistung sehen, sondern sich auch für die Roboter„persönlichkeit“ selbst interessieren. Die ungewöhnliche Interaktionsmöglichkeit mit ULI wurde zudem als ein besonderes Erlebnis im Rahmen des Museumsbesuches bewertet.

Beispiel-Feedbacks von Nutzer*innen zur Frage „Was halten sie von digitalen Angeboten (wie Robotern) in Museen?“:

  • Zitat 1: „Macht’s moderner. Gut.“
  • Zitat 2: „Gut. Praktisch, um Fragen zu klären. Man kann sich sicher sein, dass die Infos korrekt sind.“
  • Zitat 3: „Wenn es gut funktioniert und wenn Fehler abgefangen werden, ist es was Tolles.“
  • Zitat 4: Gut. Aber nicht zu viel. Lieber was Haptisches. Displays sind nicht interessant.“
  • Zitat 5: „Als Ergänzung gut, aber nicht, um Personal bzw. Menschen zu ersetzen.“
  • Zitat 6: „Macht’s spannend und es wird nicht nur stumpf Wissen vermittelt.“
  • Zitat 7: „Für Kinder toll. Vielleicht sind Ältere gehemmt.“

Wir verweisen zusätzlich noch gern auf unseren dialogischen Beitrag im museum4punkt0-Workbook, nachzulesen auf Seite 28 und 29:

museum4punkt0 | workbook – museum4punkt0

Wer ULI gern einmal in Aktion sehen und hören möchte, kann sich unseren kurzen Teilprojektfilm anschauen:

Und auch hier rufen wir zum Schluss im Sinne des museum4punkt0-Spirits dazu auf:

Kommen Sie/Kommt mit uns ins Gespräch und fragen Sie/fragt weiter!

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