Austausch im Verbund und Erfahrungen mit anderen teilen: museum4punkt0 leiten
Frau Prof. Monika Hagedorn-Saupe leitet seit 2018 museum4punkt0. Im Interview mit Dr. Silke Krohn erzählt sie, warum sie von dem Projekt begeistert ist
Seit 2018 haben Sie die Gesamtleitung und Verbundkoordination von museum4punkt0 inne. Sie haben Pädagogik, Soziologie, Psychologie mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung und Mathematik studiert – eine nicht ganz alltägliche Kombination. Wie hat sich diese Kombination auf Ihren beruflichen Weg ausgewirkt?
Durch die sozialwissenschaftliche und mathematische Ausbildung bin ich im Institut für Museumsforschung verantwortlich geworden für die deutsche Museumsstatistik und habe diese mit aufgebaut. Statistik und Empirie waren eine gute Basis, um Besucherforschungsprojekte zu konzipieren und umzusetzen. Die Mischung aus Sozialwissenschaften, Mathematik (und Informatik) hat mich sehr früh erkennen lassen, dass mit Internet und der Entwicklung der digitalen Technologien der Zugang zu Museumssammlungen eine viel breitere Öffnung der Museen bedeutet, als sich dies viele Museumskolleginnen und Kollegen anfangs vorstellen konnten.
Die Möglichkeit, durch die Nutzung von Medien Museumssammlungen in breitem Umfang kontextualisieren zu können und Bürgerinnen und Bürger auch außerhalb der eigenen Räume in vielfältiger Weise zu erreichen, hat mich motiviert. Digital kann man zeigen, wie ein historisches Objekt, das vor einem im Museum steht, benutzt wurde und funktioniert hat. Mit 3D-Digitalisaten kann ich ein Objekt, das aus konservatorischen Gründen in einer klimatisierten Vitrine stehen muss, von allen Seiten zeigen. Seltene Dokumente, die aus Schutzgründen (damit sie überhaupt erhalten werden können) nur alle paar Jahre dem Licht ausgesetzt werden können, kann man nun in viel breiterem Maß zugänglich machen. Durch Portale und Plattformen im Internet lassen sich verstreute Werke virtuell zusammenbringen und erlauben so einen ganz anderen Blick auf das Wirken einer Künstlerin oder eines Künstlers.
Als langjährige Sprecherin der Fachgruppe Dokumentation im Deutschen Museumsbund war es mir wichtig, notwendige Grundlagen für eine bessere Vernetzung von Museen zu schaffen und die dafür notwendigen Standards gemeinsam zu entwickeln.
Worin bestehen Ihre Aufgaben bei museum4punkt0? Welche Herausforderungen bringt ein solches Verbundprojekt mit sich?
In museum4punkt0 habe ich im Auftrag von Prof. Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Gesamtleitung des Projektes und die Koordination des Verbundes inne. Das Projekt umfasst mehrere Partner. Jeder Partner mit seinem Teilprojekt hat eigene Ziele. Unsere Aufgabe bei der Verbundkoordination ist es nun, gemeinsam mit den Partnern aufzuzeigen, wo trotz ganz unterschiedlicher Einrichtungen mit sehr unterschiedlichen Sammlungen ähnliche Erfahrungen gemacht werden.
Auch wenn beispielsweise VR-Anwendungen in ganz unterschiedlichen Kontexten entstehen, so gibt es doch Fragen, die bei jedem der Partner entstehen: Welche Brillen gibt es, die geeignet sind, wie muss ein solcher Einsatz personell betreut werden, was mache ich, wenn ich nur zwei Brillen habe und eine ganze Gruppe kommt, etc. Gemeinsam dokumentieren und bereiten wir die Fragen, die sich stellen, und die Antworten, die wir finden, so auf, dass sie anderen Museen helfen. So können etwa Kolleginnen und Kollegen profitieren, die gerade erste Überlegungen anstellen, ob für ihre Institution eine digitale Anwendung sinnvoll zur Unterstützung ihrer Arbeit im Museum eingesetzt werden kann.
Eine der Herausforderungen im Verbund ist daher, den Austausch untereinander konsequent anzuregen und darauf zu achten, dass die Erfahrungen, die im Verbund gemacht werden, so aufbereitet und kommuniziert werden, dass auch andere Museen davon profitieren können.
Was fasziniert Sie besonders an der Arbeit bei museum4punkt0?
Zum einen das Engagement und Herzblut aller Beteiligten für die Nutzung von digitalen Medien bei der Vermittlungsarbeit und dem Wissenstransfer im Museum. Zum anderen, zu sehen, wie sich die Teilprojekte untereinander unabhängig von Sammlungsschwerpunkt (ob Kunst oder Naturwissenschaften), kulturellen Traditionen, Größe oder Trägerschaft wechselseitig befruchten. Und dabei zu erkennen, welche Ideen bei der gemeinsamen Arbeit entstehen und wie man in vielfältiger Weise die Inhalte eines Museums für ein breites Publikum attraktiv gestalten kann.
Sie sind in vielen internationalen Gremien aktiv, so im Vorstand der Deutschen Digitalen Bibliothek und in der Europeana, und haben Erfahrungen mit vielen europäischen Projekten. Was ist für Sie das Besondere an der Verbundarbeit bei museum4punkt0?
Dass, obwohl jedes Teilprojekt für sich genommen alleine stehen kann und für das eigene Haus einen deutlichen Schritt nach vorne in der Nutzung digitaler Technologien für die Wissenskommunikation und Vermittlungsarbeit darstellt, zusammen etwas entstanden ist, das von allen als inspirierende Erfahrung gesehen wird. Dass das gemeinsame Projekt ganz gezielt eine der Kernaufgaben des Museums, die Vermittlung, betrifft und damit eine Voraussetzung ist, um stärkere Vernetzung mit weiteren, auch europäischen Partnern zu erleichtern.
Um eine Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen, sind derzeit die Museen geschlossen. Das führte dazu, dass viele Museen ihre Online-Angebote ausbauen und auch ganz neue digitale Vermittlungs- und Informationsformate geschaffen haben. Überrascht Sie diese Entwicklung?
Nein, gar nicht. Wir wissen, dass viele Museen großes Interesse haben, ihre Online-Angebote auszubauen, aber es fehlt oft an den dafür notwendigen Mitteln, geeigneter Infrastruktur und notwendiger Fortbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die völlig neue Situation derzeit ist ein kräftiger Anschub, hier doch noch aktiver zu werden. Denn das Digitale ist derzeit die einzige Möglichkeit für Museen, ihre Vermittlungsaufgabe zu erfüllen und ihr Publikum zu erreichen – und dabei ihrem Publikum etwas zu bieten, das gerade jetzt besonders benötigt wird.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Museen, insbesondere hinsichtlich der digitalen Vermittlung?
Dass es für die Museen auch weiterhin die Möglichkeit gibt – wie derzeit in museum4punkt0 –, entstehende neue Technologien auf ihre Eignung für die Nutzung in der Museumsarbeit ausprobieren zu können, zu testen und mit Beteiligung von Interessierten weiterzuentwickeln und dann auch in breitem Maß in ihren Häusern umzusetzen. Ich würde mir auch wünschen, dass das Viele, was bereits heute möglich ist, auch umgesetzt werden könnte und nicht wegen knapper Ressourcen Wunschtraum bleibt.
Beitrag von: Prof. Monika Hagedorn-Saupe und Dr. Silke Krohn