Neuer Raum für Unbekanntes
Mit museum4punkt0 entdeckt die Deutsche Kinemathek das Museum als digitales Experimentierfeld.
Ihr Museum / Ihre Stiftung ist assoziierter Partner von museum4punkt0. Was versprechen Sie sich von der Zusammenarbeit?
Dieses Verbundprojekt ist eine Chance für uns, das Museum für die Zukunft digital neu aufzustellen und damit noch besser auf die unterschiedlichen Bedürfnisse unserer BesucherInnen eingehen zu können. Das Museumserlebnis möchten wir interaktiv und grundlegend neu definieren. Mit den erweiterten digitalen Kompetenzen beabsichtigen wir als Bewegtbildinstitution eine Profilschärfung im Stadtbild: die Kinemathek als einen offenen, zugänglichen Ort des Dialogs und Erlebbarmachens von Film- und Kinogeschichte. Mit breiter Themenvielfalt und attraktiven Bildungs- wie Unterhaltungsangeboten für ein diverses Publikum.
Welche digitalen Angebote können BesucherInnen Ihres Museums / Ihrer Häuser bereits nutzen?
In unserer Sonderausstellung Caligari laden wir zu einem VR-Erlebnis ein: Dort zeigen wir zwei volumetrische Filme und bieten den AusstellungsbesucherInnen immersive VR-Erfahrungen in Form eines »begehbaren Films«. Darüber hinaus steht in unserer »Mediathek Fernsehen« ein vielseitiges audiovisuelles, digitales Angebot mit Filmpreziosen aus den Archiven (und auch aus den ›Giftschränken‹) bereit. Auf unserer Website besteht die Möglichkeit, in den zahlreichen digitalen Sammlungen zu stöbern: ob zu Marlene Dietrich, Ken Adam oder jüngst zur Berliner Kinogeschichte.
Wie würde Ihre persönliche Visitor Journey rundum Ihr Museum und darin aussehen?
Wir möchten eine App bzw. multimediale Anwendung entwickeln, die unsere Sammlungsbestände und das Museum mit seiner ständigen Ausstellung und Berlin als Filmstadt verbindet. Dabei möchten wir auf die Kompetenzen und bisherigen Erkenntnisse aus dem museum4punkt0-Teilprojekt »Visitor Journeys neu gedacht« zurückgreifen. Mögliche Anknüpfungspunkte sehen wir z. B. auch in der App »Object by Object – Auf den Spuren der Zwanziger in Berlin«, die das Team der zentralen Steuerung von museum4punkt0 konzipiert. Die Erkenntnisse aus der BesucherInnenforschung als auch die Erfahrungen bei rechtlichen Fragen und der technischen Umsetzung möchten wir auswerten, um diese im Umgang mit bewegten Bildern in einen digitalen Museumsraum mit Storytelling und möglicherweise AR- oder VR-Elementen zu überführen.
Welche Erfahrungen und Erkenntnisse hinsichtlich des Nutzungsinteresses digitaler Museumsangebote nehmen Sie mit aus der Zeit notwendiger Einschränkungen des regulären Betriebs?
Das Interesse ist groß, unsere digitalen Angebote, unter anderem in den sozialen Medien, zu erkunden. Der Aufwand für die Bereitstellung dieser Angebote ist jedoch nicht zu unterschätzen und verlangt Vorbereitung, Koordination und teils auch Schulung unserer KollegInnen. Dass wir nun auch ein überregionales und bisweilen internationales Publikum erreichen und mit ihm niedrigschwellig in den direkten Dialog treten können, freut uns sehr. Es bestätigt die Relevanz und Bedeutung unserer Arbeit und ermöglicht uns, neue Zielgruppen zu erschließen und ihnen Teilhabe zu ermöglichen – auch jenseits der Wissenschaftscommunity und des Stammpublikums.
Wo sehen Sie Möglichkeiten, Synergien mit anderen Institutionen der deutschen Museumslandschaft zu nutzen? Wo sehen Sie in diesem Zusammenhang die Chancen von museum4punkt0?
Gerade die museumsübergreifende Interdisziplinarität betrachten wir als entscheidenden Vorteil, um Sachverhalte multiperspektivisch neu zu beleuchten und tradierte Standpunkte zu hinterfragen. Wir gewinnen wichtige Impulse. Film ist inhaltlich so facettenreich, dass wir große Schnittmengen und Berührungspunkte – ob nun in Fragen zu Architektur, Gender, Kunst, Philosophie, Postkolonialismus, Politik oder Psychologie – sehen, die es zu untersuchen gilt. Die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen hilft uns, bereichernde, mitunter auch auf den ersten Blick unbequeme Perspektiven einzuschließen und vielleicht auf »neue Wahrheiten« zu stoßen. museum4punkt0 ist das ideale Testlabor, um Neues auszuprobieren. Wir geben dem Mut, Risiko und Unbekannten den notwendigen Raum und erhoffen uns so Innovation und Fortschritt.
Beitrag von: Jonas Scheler